Ostsee-Umrundung | gesamt 8.029 km
Altenholz (DEU) – Hohwacht (DEU) | Tag 102 | heute 73 km
Ihr habt es heute morgen gemerkt: Kein Blog von gestern! Was war los?
Als ich nach einer wundervoll ruhigen Nacht die Treppe hinunter komme, hat Erna längst ein Frühstück aufgetischt, das mir sofort ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Natürlich ist auch heute morgen alles vegan. Erna lebt schon seit vielen Jahren sehr konsequent vegan, für Tiere und Klima. Die Gespräche von gestern laufen weiter und Erna lädt mich ein, sie nach Kiel zum ‚Alten MU Impuls Werk‘ zu begleiten, einem Zentrum für gemeinwohlorientiertes Leben und Arbeiten, mit Raum für Startups und Fokus auf Menschen und Nachhaltigkeit. Da kann ich nicht nein sagen, und so fahre ich kurze Zeit später mit ihr auf Wegen Richtung Kiel, die ich sonst nie gefunden hätte. Nichts geht über Insiderwissen, und für 16 Kilometer besteht das Radreiseglück heute Morgen aus zwei Radlern.
Das ‚Alte MU Impuls Werk ‚
Eine Strecke, die Erna immer mit dem Rad fährt, ihr Auto hat sie mittlerweile verkauft. Die ‚alte MU‘, wie das Impuls Werk liebevoll genannt wird, ist tatsächlich ein Quell an miteinander engagiert arbeitenden Menschen. Im Hof arbeiten freundliche Menschen der verschiedenen Gruppen an der Hofgestaltung. Erna zeigt zwei neuen Interessentinnen und mir das Gebäude und das Angebot, das noch um kostengünstigen auch vorübergehenden Wohnraum ergänzt werden soll. Einige erfolgreiche Startups sind aus einfachen Ideen entstanden – frei auch nach meinem Motto: Dann mach doch einfach mal!
So gibt es eine Imkerei auf Kiels Dächern, Alternativen für Einkaufsbeutel, und Versand von ‚Altem Saatgut‘ in Demeter Qualität. Sehr beeindruckend. Erna leitet das Büro der Alten MU. Sie ist, wie ich sie vor zwei Jahren kennengelernt habe: Engagiert und manchmal positiv irritierend, was bei Menschen neue Energien freisetzt, indem sie außerhalb von Gewohnheiten denken. Ich bedanke und verabschiede mich herzlich bei Erna für die gute und inspirierende Zeit.
So blieb für den Blog keine Zeit. Aber es ist für mich auf der Tour ein Lernprozess, mich nicht meinem selbst gesetzten Druck zu unterjochen, sondern Chancen für Gespräche und Inspirationen zu nutzen. Das gelingt mir immer besser, dank meiner tollen Gesprächspartner, von denen die Inspirierendsten echte Freidenker sind. Ich bin immer wieder aufs Neue dankbar sie kennenzulernen.
Auf zum nächsten Meilenstein
Ach ja, dies ist ja neben ‚Gedanken zum Radreisen‘ ein Radreiseblog, also fahre ich um 13 Uhr dann doch endlich mal von der ‚alten MU‘ los und passiere den Ostseekai, an dem riesige Fähren darauf warten, Richtung Schweden, Norwegen und Litauen zu starten. Es ist schon ein erstaunlicher Anblick inmitten von Kiel.
Bald verlasse ich die Stadt und quere die Mündung der Schwentine, eines spannenden Flusses, der sich in seinem Verlauf teils tief ins Gestein gearbeitet hat und viele an Schweizer Impressionen erinnert. Sicherlich im Sommer ein lohnender Ausflug.
Für mich geht es von nun an wieder fast konstant am Ostseeufer entlang, zunächst mit den auslaufenden Last- und Marineschiffen, später bei Heidkate südwestlich drehend entlang einer Dünenlandschaft. Der Radweg auf dem Deich und der Deichkrone erinnert an die wundervollen Radwege des Nordseeküstenradwegs LF1 in den Niederlanden, den wir im vergangenen Jahr gefahren sind. Ein sehr schöner Abschnitt, immer wieder einmal von kleinen Orten, Cafés und Restaurants unterbrochen.
Dann mein nächster Meilenstein: Ich überschreite meinen achttausendsten Kilometer! Es wird mein letzter Tausender sein, und mein letzter Meilenstein vor meinem Ziel: Lübeck rückt nahe.
Nach Kalifornien fahre ich rasch noch an Brasilien vorbei. Was für kuriose Namen für Ostseeorte. Und ich kann jetzt sagen, dass ich mit dem Rad an den Stränden Kaliforniens und Brasiliens war, denke ich lachend! Ist ja doch eine Weltreise!
Ich passiere die Schönberger Seebrücke und spüre, dass ich ziemlich müde bin. Es war mir schon aufgefallen, dass ich beim Verlassen von Kiel oft gähnte, aber jetzt merke ich, dass ich ungewöhnlich geschafft bin. Leichter Gegenwind, und schöne Offroad-Wege machen mich auf dem Rest der Strecke nicht schneller.
Leider zeigt sich zwar oft die Ostsee, aber wieder einmal keine Sonne. Dafür fallen auch nur wenige Tropfen Regen. Herbst halt, warum bin ich überrascht. Ziemlich im Eimer erreiche ich nach 73 Kilometern den schönen Strandort Hohwacht. In zwei Tagen wird die Tour enden, ich hoffe morgen kann ich wieder fitter starten.