Soviel Sicherung wie nötig – soviel Vertrauen wie möglich
# Ich bin ein Sicherheitsfreak.
Und so habe ich mir vor der ersten größeren Tour unglaublich viele Gedanken zur Sicherung von Reiserad und Packtaschen gemacht. Pitlock-Sicherungen für Laufräder (insbesondere bei Nabenschaltungen ein Muss) und Sattel, Rahmenschloss, Bügelschloss und als Gepäcksicherung die Seilsicherungen von Ortlieb.
Sicherheit ist gut – Vertrauen auch
Aber auf Radreisen lernst du vor allem: Vertrauen – ganz besonders, wenn du alleine unterwegs bist. Das Problem hatte ich auf meiner 8.200 Kilometer Ostsee-Umrundung, nachdem mein Sohn bei Kilometer 2.000 ausgestiegen ist. Zu zweit kann bei kurzer Abwesenheit meist einer bei Rädern und Gepäck bleiben. Alleine stehst du plötzlich vor Supermarkt und Sehenswürdigkeiten und stellst dir die Frage: Und nun?
Du wirst schnell feststellen: Wenn du bei jedem Einkauf und jeder Besichtigung alles sichern möchtest, dauert es ewig. Und so lernst du dich zu arrangieren und findest einen gangbaren Mittelweg aus Sicherheit und Praktikabilität.
Meine wichtigsten Punkte zur Sicherung von Reiserad und Packtaschen
Fahrrad abschließen
- Das Fahrrad abschließen sollte immer selbstverständlich sein. Für den kurzen Gang in die Bäckerei mit Sichtkontakt zum Rad war ich immer froh, ein kleines fixes Rahmenschloss zu haben. Ich nenne es daher auch mein Bäckereischloss! Ein nicht abgeschlossenes Rad ist schnell gegriffen und dann inklusive Gepäck auf und davon.
- Für lange Abwesenheit: Fahrrad mit sicherem Schloss abschließen, besser natürlich noch anschließen (Laterne, Baum, etc). Ich selbst habe mich für das Abus Granit X-plus 540 Bügelschloss entschieden. Es hat genügend Platz, um das Rad auch an einem Pfahl zu sichern. Und es ist wirklich nur sehr schwierig zu knacken. Dir ist ein Bügelschloss zu schwer? Wenn du 30 kg Gepäck dabei hast, relativiert sich das schnell. Im Angebot ist auch die Halterung USH540 enthalten, mit der du das Rad prima am Rahmen befestigen kannst. Ich habe es z.B. am Sitzrohr mit Ausrichtung nach hinten, so dass es nicht stört.
- Schnellspanner an Laufrädern und Sattel vorab durch Pitlock Sicherungen* ersetzen, inbesondere, wenn du eine hochwertige Nabenschaltung oder einen hochwertigen Nabendynamo hast. In diesem Set sind direkt alle Sicherungen für Vorderrad, Hinterrad und Sattel vorhanden. Du solltest nur nie vergessen, den kleinen Sicherheitspit mit auf Tour mitzunehmen, sonst kannst du weder den Reifen flicken noch die Höhe deines Sattels verstellen! Ich habe ihn zusammen mit dem Abus Schlüssel an einem Schlüsselanhänger, so ist er immer dabei.
Gepäck sichern
- Nimm deine Tasche mit Wertsachen und Ausweisen immer mit. Wer die Szenerie beobachtet, verliert dann bereits das Interesse. Denn an verschwitzten gebrauchten Radklamotten haben wenige Interesse.
- Mit einer Seilsicherung kannst du deine Taschen recht einfach ans Fahrrad schließen. Es gibt sie in einer langen Version für große Ortlieb Packtaschen* ( Back-Roller, Bike-Packer, Bike-Tourer, Velo-Shopper, Office-Bag, Downtown Two, Commuter-Bag Two Urban, Bike-Shopper und Recumbent-Bag ), sowie in einer kurzen Version für kleine Ortlieb-Fronttaschen* (Sport-Roller, Sport-Packer, Gravel-Pack, E-Mate, Vario, City-Biker). Der Mechanismus ist einfach: du kannst dein Schloss einfach beim Abschließen zusätzlich durch die Schlaufen ziehen und die Taschen sind zumindest gegen spontanes Mitnehmen gesichert. Der dünne Draht lässt sich aber mit einem Drahtschneider natürlich recht schnell kappen. Gelegenheitsdiebe werden die Tasche aber erschrocken fallen lassen.
- stelle dein Reiserad mit den Taschen entweder an einen ganz versteckten Ort, oder an einen besonders sichtbaren Ort. Wo viel Personen-Traffic ist, fühlt sich ein potentieller Dieb beobachtet.
- weißt du im Voraus, dass du etwas besichtigen willst, dann kannst du den Ort auch als Übernachtungsetappe einplanen. Rad und Gepäck kannst du dann sicherer unterbringen und ohne Gepäck zur Besichtigung radeln.
- für ausführliche Besichtigungstouren kannst du in großen Städten einfach eine Nacht länger bleiben.
- nimm deine Gepäcktaschen über Nacht mit ins Zelt.
- meide unnötige Risiken! Wenn du ein blödes Gefühl hast wegen seltsamer Personen vor Ort, dann solltest du eine Alternative suchen. Auch wenn es eine Besichtigung kostet.
Der Wichtigste aller Punkte: Vertrauen lernen.
Lerne zu vertrauen. Nur so erträgst du den Gedanken, dass dein Gepäck ab und an alleine an deinem Rad ist.
Nach der Durchfahrt des Baltikums inklusive Kaliningrad wurde mir langsam klar, dass Menschen gar nicht so böse sind, wie uns oft suggeriert wird. Die meisten Menschen trachten weder nach deinem Rad noch nach deinem Leben. Aber es steckt nun einmal in unserem Kopf. Wer meinen Newsletter abonniert hat, der erinnert sich sicher an den Artikel über Stereotypen.
Lass die üblichen Vorurteile auf der Strecke liegen, dass du in bestimmten Ländern mehr beklaut wirst, als in anderen. Weder wirst du in Polen plötzlich „2 Fahrräder haben“, noch wirst du „mit Sicherheit in Russland umgebracht“. Beides Zitate, die mir vor meiner Reise entgegengebracht wurden.
Ich habe mir in Ivangorod in Russland die Burg angeschaut. Nach Kaliningrad mein zweiter Russland Aufenthalt. Das Fahrrad habe ich unten vor die Treppe zur Burg gestellt und abgeschlossen. Ich konnte es ab und zu sogar vom Wehrgang sehen. Passiert ist nichts, außer dass es eine tolle Besichtigung war.
Spätestens ab diesem Ort habe ich Vertrauen gelernt, und meine restlichen knapp 5.000 Kilometer wurden viel entspannter! Ab Finnland habe ich nicht einmal mehr die Ortlieb Sicherungen genutzt, wobei Finnland und Schweden zugegeben sehr vertrauenswürdige Länder sind.
Resumé Sicherung Reiserad und Packtaschen
Für mich war das Lernen von Vertrauen ein Prozess. Aber ein sehr positiver! Die Sicherung von Rad und Gepäck ist sicher sinnvoll – aber nicht um den Preis, sich nichts mehr anschauen zu können und in ständiger Angst zu leben beklaut zu werden. Die Devise lautet: Soviel Sicherung wie nötig – soviel Vertrauen wie möglich.
# Ich war ein Sicherheitsfreak.
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10 Kommentare
Vielen Dank für den tollen Artikel und deine Einblicke Bernd 🙂 Mit dem Punkt Sicherung auf meiner geplanten Radreise bin ich immer wieder unsicher. Sicherheit und vor allem Zuversicht gibt mir deine Sicht mit dem Vertrauen in das Gute in die Menschen, was ich nun öfters von Radreisenden gehört habe. Ich finde es toll, wie du daran arbeitest, deine eigenen Vorbehalte zu hinterfragen und zu überwinden. Das versuche ich auch.
Liebe Grüße und gute Fahrt, Elias 🙂
Lieber Elias,
ich habe mich bislang nicht für deinen Kommentar bedankt. Also jetzt, vielen Dank! Ich wünsche dir Vertrauen zu lernen, und dabei nicht enttäuscht zu werden. Vertrauen muss ja nicht heißen, den gesunden Verstand auszuschalten. Hör auf dein Bauchgefühl, sei vorsichtig wo nötig und lerne von Tag zu Tag mehr zu vertrauen! Gerade heute musste ich noch dran denken, als ich auf Toilette musste und mein Laptop im Cafe der Tischnachbarin anvertraute. Sie hatte Kaffee und Brötchen und arbeitete wie ich an einem Dokument. Ein bisschen mulmig ist einem immer, das ist wohl anerzogen. Als ich zurückkam, wünschte sie mir einen schönen Tag und ich denke, sie hat sich darüber gefreut, dass ich ihr Vertrauen geschenkt habe. Und doch, bei jedem hätte ich es nicht gemacht. Bauchgefühl halt!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd
Hallo Bernd,
ich habe Deinen Artikel und auch die Kommentare mit großem Interesse gelesen.
Bisher haben wir aus „Sicherheitsgründen“ immer darauf verzichtet, irgendwo mal was zu besichtigen. Gerne würden wir das aber mal machen und spielen mit dem Gedanken, die Gepäcktaschen zukünftig mit „Kabel-Gepäckschlössern“ zu sichern. Aber wenn ich das richtig verstehe, ist dadurch nicht ein „Heineingreifen“ in die Taschen gesichert, oder? Ok, verschwitzte Radsachen mag man vielleicht nicht klauen, aber der bloße Gedanken daran, es könnte jemand an die Taschen rangehen und sei es nur, um sie rauszurupfen, hält mich davon ab, sie aus den Augen zu lassen. Hast Du dafür vielleicht auch eine gute Idee?
Herzliche Grüße
Anke
Hallo Anke,
das stimmt, die Kabelschlösser von z.B. Ortlieb sichern nur die Taschen am Rad. Hineingreifen könnte man immer noch. Theoretisch kannst du das verhindern, indem Du ein Seilschloss um die Tasche wickelst. Es erzählt aber auch, dass es vielleicht etwas zu holen gibt. Und wer wirklich ran will, nimmt ein Cuttermesser oder hat eine Zange dabei, um das Seilschloss zu knacken. Ein gutes internes Radar an den Besichtigungspunkten erzählt dir oft schon, wie gefährdet der Bereich ist. Hast du ein blödes Gefühl, lässt du dein Rad besser nicht mit Gepäck stehen. Es bietet sich auch an, nach Übernachtungen am Ort noch ohne Gepäck loszuziehen und das Gepäck noch etwas in der Unterkunft zu lassen. Oder in großen Städten mit 2 Übernachtungen einen Tag Sicherheit für ausführliche Besichtigungen zu erlangen.
Aber generell gilt: Rad sichern, Taschen soweit wie möglich sichern, Wertsachen mitnehmen, Vertrauen lernen, wo es sich generell gut anfühlt. Wie im Artikel beschrieben. Manchmal kann man auch fragen, ob man sein Rad sicher abstellen kann. Ich habe auch schon einmal einem Obdachlosen etwas Geld gegeben, damit er auf mein Rad aufpasst. Er hat sich mega gefreut, dass ich ihm vertraue, das Geld konnte er gebrauchen, und ich hatte einen Gepäckwächter!
Herzliche Grüße
Bernd
Mir geht’s genauso – ich lasse nur ungern mein Rad nebst Taschen irgendwo stehen, egal wie abgesperrt es auch ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass mir schon zwei Mal Räder geklaut worden sind, was in Grossstädten an der Tagesordnung liegt. Beim Einkaufen deshalb: direkt vor den Eingang stellen, schon vorher genau wissen, was man kaufen wird. Dann ist man idR nach ein paar Minuten wieder raus. Ansonsten ist man, was die Sicherung des Gepäcks anbelangt, mit standardmässigen Kabel-Gepäckschlössern besser bedient, denn die Ortlieb-Drahtseilschlingen allein sichern das Gepäck ja noch nicht – es bedarf weiterer Schlösser.
Vielen Dank für diese Reiseberichte und Praxisinfos. Es inspiriert, auf’s Rad zu steigen, und wenn auch nur – wie ich jetzt gleich – um zur Post zu fahren (um ein Päckchen mit Fahrradsachen abzuholen. 😉 ).
Hallo Thomas,
da hab ich bislang Glück gehabt, mir ist noch nie ein Rad geklaut worden. Ich wohne selbst in einer Kleinstadt, und wenn ich auf Touren in Großstädten bin, bin ich sehr aufmerksam und sichere es stark. Was gibt es auch Schlimmeres, als wenn auf Tour das Reiserad weg ist! Aber eine Garantie gibt es natürlich nie. Das mit den Gepäckschlössern ist nicht schlecht, ich denke ich nehme sie in den Bereich „Radreise Ausrüstung“ mit auf. Welches Gepäckschloss nutzt Du, nimmst du zusätzlich ein Stahlkabel und wie/wo bringst du es an?
Radreiseglückliche Grüße
Bernd
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich habe vor im nächsten Jahr eine längere Radreise zu machen, welche mich auch durch verschiedene (europäische) Länder führen wird. Da größere Objekte wie bspw ein Laptop (für die Arbeit unterwegs) nicht so handlich ist, haben sich mir auch viele Fragen bezüglich Sicherheit gestellt.
Dieser Artikel verbessert mein Gefühl schon jetzt deutlich!
Aktuell „übe“ ich das Vertrauen auf Campingplätzen und hoffe so einer gesunde Einstellung gegenüber Sicherheit und Vertrauen zu gewinnen!
Ich werde sicher auch noch andere Texte hier lesen, dieser hat mich sowohl inhaltlich als auch stilistisch überzeugt.
Lieber Tom, ich habe mich über deinen Kommentar auf den Artikel im Juni sehr gefreut, insbesondere über das inhaltliche und stilistische Lob! Nur eine Reaktion bin ich dir schuldig geblieben, was eher ungewöhnlich ist. Nun, besser spät als nie: Danke dafür! Ein Laptop ist natürlich wieder direkt etwas größer. Alles andere bekommst du gut in der Lenkertasche untergebracht. Klick & ab und einfach mit in den Supermarkt. Oder mit zum Abendessen, oder ins Museum, etc. Aber selbst ein 13 Zoll passt nicht hinein. Ggf könnte die Alternative sein, die Electronic Devices in eine der Lowrider Taschen zu packen, und diese mitzunehmen. Einfach die Wertsachen aus der Lenkertasche ebenfalls mit reintun. Die Lowrider Tasche ist ja noch recht komfortabel am Riemen über der Schulter zu tragen. Beim Einkaufen kannst du an der Kasse direkt noch ein paar Dinge in die Tasche packen, wenn noch Platz ist. Es gibt natürlich Dinge, die kaum ersetzbar sind, wenn sie fort sind, gerade Fotoapparat mit Aufnahmen, Laptop mit Texten etc… Bei Klamotten wäre ein Verlust blöd, aber irgendwie ersetzbar.
Ach ja, und ich muss mich selbst erinnern: Vertrauen üben ;).
Wenn dir noch Zubehör fehlt, schau gerne mal im Bereich Radreise Zubehör, den habe ich jüngst stark ausgebaut.
Radreiseglückliche Grüße
Bernd
Wieder ein klasse Artikel, lieber Bernd!
Mit dem Vertrauen ist das leider so eine Sache. Wir wurden mit dem Leitspruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ großgezogen und das schüttelst Du nicht so einfach aus den Klamotten. Ich – als Wandersmann – trage mein Equipment ja meist direkt am Mann. Bei Übernachtungsstops auf Campinplätzen überkommt mich aber auch regelmäßig dieses generelle Misstrauen meinen Mitmenschen gegenüber. Beim Gang zu den sanitären Anlagen trage ich immer Geldbörse, Kommunikation und Navigation am Mann und lasse das Zeug nie im Zelt zurück. Eigentlich traurig… In der freien Natur kommen mir diese misstrauischen Gedanken meistens nicht. Einsam im Zelt, irgendwo im Gebirge, besucht mich eher mal ein Anflug von Angst oder zumindest erhöhter Alarmbereitschaft. Vermutlich auch ein Erbe aus Kindheitstagen.? Eine Prise mehr Vertrauen auf die guten Absichten unserer Mitmenschen täte unserer Welt sicherlich sehr gut. Ich werde daran arbeiten…auch wenn meine Oma immer meinte: „Junge, pass auf, dass sie Dich nicht klauen!“ ? LG, DerSchulle
Lieber Karsten, irgendwie ist es mir entgangen auf deinen netten Kommentar zu antworten. Auch ich trage die wichtigsten Dinge stets bei mir und lasse natürlich Geld und unsere geliebten technischen Spielzeuge nicht zurück. „Gelegenheit macht Diebe“, lautet ein Sprichwort, und man muss es ja nicht herausfordern. Ein Überdenken unserer Angst und Stereotypentut uns sicherlich gut. Es ist einfach erstaunlich, wie oft man sich selbst dabei erwischt, in alte Denkweisen zu verfallen. Wenn es mit der Zeit einen gesunden und langsamen Fortschritt gibt, dann ist schon viel erreicht. Radreiseglückliche Grüße, Bernd