Ostsee-Umrundung gesamt 8.175 km
Scharbeutz (DEU) – Lübeck (DEU) | Tag 104 | heute 43 km
Als ich heute Morgen aufwache, ist es ein seltsamer Gedanke: Der letzte Tag der Tour ist eingeläutet. Nach unglaublichen 104 Tagen werde ich das Radreiseglück-Ziel erreichen.
Ich bekomme Nachricht von meiner Frau Susanne und unserem Jüngsten Julian, dass sie bereits in Lübeck eingetroffen sind. Rasch bringe ich noch den Blog von vorgestern live und packe das letzte mal für die Tour mein Fahrrad. Ein kleiner Abstecher zur hölzernen Seebrücke von Haffkrug lässt meinen Blick noch einmal weit über die ruhige Ostsee streifen. Am Horizont zeichnet sich ein feines goldenes Band zwischen Meer und Wolkendecke ab. Es ist, als weise es mir die Richtung zu meinem Ziel.

Entlang der Strandpromenaden fahre ich über Scharbeutz immer weiter auf Travemünde zu. Seit Polen habe ich nicht so viele Menschen entlang der Strecke gesehen, wie auf den Strandpromenaden der gepflegten Städte.



Kurz hinter Niendorf führt mich der Weg nochmal zu einem besonders schönen Stück Natur: Das Bodtener Steilufer, gefolgt von einem Weg durch ein Waldstück. Man sieht von hier bereits die Fähren nach Travemünde einlaufen.



Ich folge der Uferstraße und stehe schließlich vor der kleinen Fähre in Travemünde, die es ermöglicht, auf die andere Seite überzusetzen.
Es ist ein Magic-Moment. Hier sind Tristan und ich vor fast vier Monaten das erste mal auf die Ostsee gestoßen und haben das Wasser auf der Fähre gemeinsam überquert. Die eigentliche Befahrung des EuroVelo 10 ist damit abgeschlossen, die Umrundung der Ostsee vollendet.


Ich feiere den Moment mit einem Cappuccino und einem Stück Torte in einem nahen Kaffee, bevor ich meine Fahrt nach Lübeck mit sehr entspannter Geschwindigkeit fortsetze. Ich habe es nicht so eilig, weiß ich doch, dass meine Tour bis zum Radreiseglück-Ziel nur noch 20 Kilometer dauert. Also noch 0,25% meiner Gesamtstrecke. Die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen erscheint, pünktlich zum Finish.
Ankunft in Lübeck
Die Strecke führt landeinwärts meist durch kleine Orte oder entlang der Eisenbahnlinie. Um nicht den Bus durch den Tunnel nach Lübeck nehmen zu müssen, fahre ich wie auf dem Hinweg über Bad Schwartau. Als ich Lübeck erreiche, tauchen die Türme der vielen Kirchen auf. Sie sagen mir, dass es nicht mehr weit zum Holstentor ist, unserem Startpunkt des Baltic Sea Projects. Aufgrund einer Sperre des Radwegs muss ich, so wie andere Radler, auf einen breiten Gehweg ausweichen, den ich langsam entlang rolle. Prompt meckert ein alter Herr mit Rollator lautstark, dass das kein Radweg sei. Ich schmunzle und denke: „Willkommen in Deutschland!“

Große Emotionen
Dann taucht es auf: Das Holstentor. Was für ein prachtvoller Ort für ein Finish. Ich sehe meine Frau winken und spüre wie alle Emotionen der vergangenen 8.175 Kilometer in mir aufsteigen und sich einen Weg suchen. Zwei Fußgängerampeln trennen uns. Julian sehe ich noch nicht. Als ich schließlich auch die zweite Ampel geschafft habe und kurz vor meiner Frau bin, tritt Tristan aus dem Schatten eines Buschs hervor – nicht Julian. Das hatte ich nicht erwartet!
Alle Dämme brechen bei mir, hier an dieser Stelle hat ein Schwede am 7. Juli unser Startfoto geschossen und wir sind auf vollkommen irre 2.000 Kilometer bis Riga gemeinsam aufgebrochen. Unser Start zu einem unglaublichen Trip! Ich freue mich so sehr, dass Tristan nun hier steht und zu meiner Ankunft am Radreiseglück-Ziel mitgekommen ist. Wir halten uns lange im Arm. Und ich freue mich, dass meine Frau hier ist und die beiden die Bahnfahrt-Strapazen über Nacht auf sich genommen haben. Tristan ist eine Überraschung, meine Frau hat die ganze Zeit vorher von Julian gesprochen, damit ich keine Lunte rieche.




Wir geben das Fahrrad in unserer Unterkunft ab, und es gibt wie beim Start ein Marzipaneis bei Niederegger. Der Kreis schließt sich. Bei einem Bummel durch Lübeck zeigen mir die beiden noch bemerkenswerte Stahl-Kunstwerke, die in einem Einkaufszentrum ausgestellt sind.


Wie geht es weiter?
Abends feiern wir bei einem Koreaner fröhlich unsere Tour und meine Umrundung der Ostsee. Wir sprechen über viele erstaunliche Momente, Begegnungen und Erfahrungen. Jeder hatte hier seinen Part. Denn ich mag die Tour gefahren zu sein, zu einem guten Teil gemeinsam mit Tristan, aber meine Familie hat zuhause die Stellung gehalten und mir den Rücken gestärkt, wenn es hart wurde. Und das wurde es. Den Rücken habt auch ihr mir gestärkt. Mit jedem motivierenden Kommentar, ob hier oder auf den Social-Media Kanälen. Mit jeder Spende fürs Projekt, bei dem nun schon fast 5.000 Euro zusammen gekommen sind. Ein großes Dankeschön dafür.
Ist das jetzt der letzte Blogeintrag für die Tour?
Ich denke nicht, denn ich bin voller Eindrücke und werde sicher noch so einiges zu schreiben haben. Und die Rückkehr von so einer langen Tour stellt die Frage: Was kommt als nächstes und wie fühlt es sich an, in den Alltag zurückzukehren? Gelingt es mir, die Erkenntnisse aus dieser Tour langfristig umzusetzen und nicht in alte Gewohnheiten zurück zu fallen? Gibt es eine nächste Tour, ein nächstes Radreiseglück-Ziel? Genügend Material und Erfahrungen für spannende Artikel, falls ihr weiterlesen möchtet!




