Ostsee-Umrundung | gesamt 6.145 km
Gävle (SWE) – Uppsala (SWE) | Tag 78 | heute 129 km
Am Morgen darf ich Teil eines echten schwedischen Frühstück sein. Ludvig und Irene gehen um 10 Uhr mit Ida und ihrer süßen Mila zum Babysingen. So steht auch mein Abflugtermin fest. Wohin ich heute fahre, das steht hingegen noch nicht fest. So muss ich mich von Irene und Ludvig verabschieden – zwei lieb gewonnenen Menschen. Sie werden mir fehlen, das Lachen, aber auch die tiefgreifenden Gespräche. Sie bleiben einen Tag oder zwei bei Ida und ihrer Familie. Im Geiste radeln sie heute oft mit mir.
Gävle
Zunächst führt mich der Weg knapp 8 Kilometer östlich nach Gävle zurück auf meine Route. Dort mache ich einige Fotos für die Mutter unserer Freundin aus Edinburgh, die diese Stadt ebenfalls schon bereist hat, und unseren Blog jeden Morgen verfolgt. Sozusagen auf den Spuren der Vergangenheit. Das ist durchaus interessant, denn ich muss mir Gedanken machen, welche der historischen Gebäude sie wohl in Erinnerung haben mag.
Nach einer Pause in einem Café in der Innenstadt setze ich meine Tour entlang der ehemaligen E4 fort. Mir fehlt die kleine Straße von gestern, jedoch wäre der Bogen über die Küste ein recht großer Umweg, und ich entschließe mich als Tagesziel Uppsala anzupeilen. Diese Stadt liegt auf direktem Wege nach Stockholm. Als Unterkunft wähle ich ein Hostel knapp hinter Uppsala. Immer wieder streift mein Blick die Seiten der Straße, aber ich sehe beim besten Willen keinen ‚Kantarell‘.
Laxön
Ungefähr 20 km von Gävle entfernt passiere ich die Insel Laxön. Auf ihr kann der Anstieg der Lachse beobachtet werden, wenn es denn die geeignete Zeit ist. Jahrzehntelang wurde die Insel aber auch militärisch genutzt, um von ihr aus den Brückenbau über das wilde Wasser zu üben. Heutzutage sind die Gebäude restauriert und es gibt im Sommer viele Attraktionen zu besichtigen. Selbst aktuell haben Café und Restaurant geöffnet. Meine Fahrt geht jedoch direkt weiter, da ich heute ein Pensum von knapp 120 Kilometern habe.
Ich fahre unter anderem auch an dem noch nicht eröffneten Hotel und Museum Dragon Gate in der Gemeinde Älvkarleby vorbei, deren Gebäude an einen chinesischen Martial-Arts-Film erinnert. Es soll die chinesische und schwedische Kultur zusammenführen und liegt in Sichtweite der heutigen E4. Man kann es nicht übersehen.
Es gibt ansonsten nicht viel Sehenswertes an der Strecke, aber die beiden Tage mit Ludvig und Irene haben mir gut getan und ich singe munter vor mich hin. Bis ich bei Kilometer 70 das mir altbekannte Geräusch vernehme: „Sproing“. Mitten auf der Strecke. Ich fluche. Ich werde eh im Dunkeln ankommen, und habe keine Lust jetzt auch noch mein ganzes Gepäck vom Rad zu nehmen und die gebrochene Speiche zu wechseln. Zumal ich mein eigenes Wort nicht verstehen kann, da ich auf einem sehr befahrenen Straßenstück unterwegs bin. So fahre ich mit einer Speiche weniger die restlichen folgenden 59 Kilometer und meide dabei jede Bodenwelle und jedes kleine Loch, in der Hoffnung dass mir durch die Fehlbelastung keine weitere Speiche bricht.
Als ich Uppsala erreiche, ist es bereits dunkel und ich habe schon 122 Kilometer hinter mir. Eigentlich wollte ich mir im Hostel selber etwas kochen, habe jetzt aber auch noch die Reparatur vor mir. So kann ich nicht widerstehen, als seitlich eine Pizzeria auftaucht. Da das Hostel knapp sieben Kilometer hinter Uppsala liegt, werde ich nicht extra am nächsten Morgen für ein Radgeschäft zurückfahren.
Speichenwechsel im Geisterhostel
Im Hostel ist alles vollautomatisiert. Ich habe einen Code für die Eingangstür und einen zweiten Code für einen Schlüsseltresor.
Ein solch sauberes und unglaublich gut organisiertes Hostel habe ich bislang noch nie gesehen. Fast ein Geisterhostel, ich treffe keinen einzigen Menschen, habe aber alles was ich brauche. Gut, außer Gespräche – aber ich werde eh mit der Speiche noch beschäftigt sein. Das Fahrrad schleppe ich einfach durchs Treppenhaus bis in mein Zimmer, achte dabei aber penibel darauf, nichts schmutzig zu machen.
Der Speichenwechsel geht mir recht gut von der Hand, nachdem ich den Profis nun schon zweimal über die Schulter geschaut habe. Ich zentriere das Rad so gut es geht, damit ich auch die Bremse wieder benutzen kann. Sie musste ich nach dem Bruch aushängen und die 59 Kilometer ohne Hinterradbremse fahren, da das Rad doch einen ordentlichen Schlag hatte. Ich realisiere, dass der Speichenschlüssel an meinem Multitool nicht optimal ist, und ich den Speichen-Nippel beim Anziehen beschädige.
Mein Speichen-Vorrat geht zur Neige und ich habe etwas Sorge, dass weitere Speichen brechen werden. Es waren nun auf den letzten knapp 1100 Kilometern drei Stück. So werde ich in Stockholm ein Radgeschäft aufsuchen, um nach Ersatzspeichen und einem ordentlichen Speichenschlüssel zu fragen. Das ist etwas knifflig, da es Speichen für meine Rohloff Nabe sein sollten.
Ich bedanke mich noch für neue Spenden und Kommentare, wie ich es immer mit erster Priorität zeitnah mache, und falle um 0:45 Uhr ins Bett. Kein Blog heute, ich komme nicht hinterher, aber plane in Stockholm ja Pause zu machen.