Ostsee-Umrundung | gesamt 2.230 km
Pärnu (EST) – Saaremaa (EST) | Tag 28 | heute 109 km
Morgens verabschiede ich mich in Pärnu herzlich von meinen neu gewonnenen Freunden in Estland. Ich habe tief und fest geschlafen, allerdings wacht heute Morgen neben mir ein kleiner Kater mit auf. Margus erscheint stielecht im Harley Davidson Morgenmantel. Sollten sie irgendwann nach Deutschland kommen, so sind sie eingeladen, unsere Gäste zu sein. Nach einem Abschiedsfoto mit Edgar schwinge ich mich aufs Rad und brauche einiges an Zeit, bis ich schließlich wirklich wieder fahrtüchtig bin. Ich bin wirklich gespannt, ob ich heute 100 km schaffen werde, so möchte ich doch bis zur Insel Saaremaa kommen. Kurz darauf verlasse ich Pärnu über den gleichnamigen Fluss.
Danke, liebes Universum, dass du mir diese schöne Begegnung geschickt hast, die mein Bild von Estland sicherlich prägt, und mich motiviert, meine Tour entlang der Ostsee fortzusetzen.
Ich quere die Audru Brücke aus dem Jahr 1910 und folge einer kleinen ruhigen Straße mit wenig Verkehr entlang wirklich schöner Grundstücke und Häuser. Die Sicht auf die Ostsee bleibt mir auch heute meistens verwehrt, und leichter Gegenwind aus Nord macht die Fahrt nicht einfacher.
Das Hochmoor bei Lindi
Meine etwas angeschlagene Konstitution bringt mich dazu, alle fünf bis zehn Kilometer eine kurze Pause einzulegen. Dabei kann ich mir auch kurz die Zeit nehmen, um ein paar Schritte in ein interessantes Hochmoor bei Lindi zu gehen, und nebenbei ein paar Blaubeeren zu naschen.
An der alten orthodoxen Holzkirche von Seliste aus dem Jahr 1864 lege ich eine Pause ein. Sie wurde von Mönchen aus Riga erbaut, die die Einzelteile über das zugefrorene Meer nach Seliste gebracht haben. Ich habe Glück, die Tür ist offen und ich kann einen Blick hineinwerfen, normalerweise ist sie verschlossen.
Langsam kehren nach dem gestrigen Abend meine Lebensgeister zurück und ich kann den Text fortsetzen. Mein Rad ist nach der Übernahme von Tristans Gepäck einige Kilogramm schwerer, so dass ich ab und zu auf losem Geröll mächtig ins Straucheln komme.
Die kleinen Straßen hier in Estland gefallen mir deutlich besser als die Landstraßen in Lettland. Ich genieße es durch die Sonne zu gleiten. Ab und an wünsche ich mir heute jedoch den dichten Wald herbei, denn auf den offenen Feldflächen bläst mir der Wind nun mächtig entgegen.
Überfahrt nach Saaremaa
Kurz vor dem Ziel kommt nochmal für zehn Kilometer eine Schotterpiste, ich hatte sie auch schon vermisst. Aber sie ist recht gut befahrbar. Um kurz vor 20 Uhr nehme ich die Fähre nach Saaremaa und habe die 100 Kilometer Tagesstrecke bereits erreicht. So bin ich froh, als ich bereits nach knapp zwei weiteren Kilometern einen kleinen Campingplatz finde. Ich baue das Zelt auf und flüchte vor den Mücken frühzeitig in meinen Schlafsack.
Ich hole den Blogeintrag für den vorherigen Tag nach, im Wissen dass ich den heutigen Tag erst morgen früh schreiben kann. Heute habe ich mit einer neuen SIM-Karte unter anderem dafür gesorgt, dass ich auch in den kommenden Tagen problemlos ins Internet komme. So kann ich euch meine Tour durch Estland virtuell miterleben lassen. Natürlich geht das nicht ganz reibungslos. Bis die Karte endlich funktioniert, vergehen weitere zwei Stunden und es ist wieder halb eins, bis mir hundemüde die Augen zufallen.