Jülich über Occey nach Mulhouse | Gesamt 732 km
Tag 9 | heute 89 km | 764 HM
Uuhhhhhh, das war frisch heute Nacht. Statt der angekündigten 6° waren es schließlich nur 3° Celsius im Zelt. Ich rühre mir mein Müsli an, und esse es im noch warmen Schlafsack. Bloß keine kalte Luft reinlassen, denke ich mir. Wenig später komme ich nicht drum herum und packe ein klitschnasses Zelt ein. Gegen 8:30 Uhr ist alles verstaut und ich fahre los.
Zwiegespräch mit einem Wolf
Mit einer konstanten leichten Steigung auf den ersten 10 Kilometern erreiche ich rasch 100 der knapp 800 Höhenmeter des heutigen Tages. Diese Art von Steigung lässt sich auch mit ordentlich Gepäck noch locker fahren. Ist mal etwas anderes, lächelnd zuzuschauen, wie sich die Höhenmeter summieren, statt das maximale Atemvolumen auszuprobieren, sage ich lachend zu meinem Radmaskottchen. Ich habe heute noch mit niemandem sprechen können, und so beginne ich mit dem kleinen Wolf zu sprechen. „Ja“, antwortet er mir aus meiner Fronttasche, „ich bin auch noch nicht so außer Atem wie sonst!“ Er besteht übrigens darauf mit Monsieur angesprochen zu werden, seitdem wir in Frankreich angekommen sind. Nun gut.

Auf dem Radweg
Ich befinde mich auf dem Rückweg Richtung Deutschland. Heute wird es einige Kilometer Transit geben, um mich am Ende des Tages bei Mulhouse mit meiner Frau zu treffen. Wir wollen ein paar Tage Urlaub im Elsaß verbringen, bevor auch Grand Est zum Risikogebiet erklärt wird. Dort haben wir ein einsames Hotel gefunden, fernab vom Massentourismus.

Ich durchfahre den Ort Esprels, wo mir eine kleine Boulangerie den Morgen mit einem Cappuccino und einem Mandelcroissant versüßt. Ein frisches Käse Baguette sichert mir meine Mittagspause.
Rasant bergab
Dann geht es steigungsmäßig schon mehr zur Sache und ich erreiche mit 460 HM und 48 km kurz vor Arcey gegen 13 Uhr den höchsten Punkt des Tages. Rasant rausche ich mit 58 km/h die steile Straße bergab. Was für eine Freude! Innerhalb kürzester Zeit lasse ich so 50 der erklommenen Höhenmeter wieder liegen.
Es geht noch einige Zeit bergauf und bergab, aber ab Bart bei Montbéliard verlieren sich die Steigungen und ich kann entspannte 20 km/h radeln. Kurz nach St. Suzanne treffe ich auf den EuroVelo 6. Wie großartig, ein EuroVelo war auch die Grundlage für meine 8.400 Kilometer lange Radreise rund um die Ostsee 2019! Und wieder einmal bestätigt es sich: Ich rolle auf einem erstklassigen Radweg entlang.
Am Canal du Rône au Rhin in Montbéliard lege ich meine Mittagspause ein. Das leckere Baguette aus Esprels ist rasch verzehrt, und gerade will ich aufbrechen, als ich zwei Gestalten mit voll bepackten Rädern den Radweg entlang fahren sehe.
Begegnung mit Welt-Radreisenden
Wir kommen rasch ins Gespräch. Corinne und Laurent sind schon ganz schön um die Welt gekommen. Nicht nur bis zum Nordkap haben sie es geschafft, sondern auch in Nordamerika, Nordafrika und Alaska waren sie unterwegs. Wir fachsimpeln über den way of life und stellen fest, dass wir beide einen Blog betreiben. Rasch tauschen wir unsere Adressen aus. Locker könnten wir einen Abend zusammen quatschen, doch nach knapp 30 Minuten ziehe ich weiter. Wir verabschieden uns, und Laurent gibt mir auf Deutsch mit auf den Weg: „Schau nicht zu lange auf unseren Blog cocoetlolo, sonst möchtest du es auch alles sehen!“ Ja, das stimmt, Bilder wecken Fernweh, doch jetzt freue ich mich erstmal auf meine Frau Susanne. Es sind noch knapp 20 Kilometer bis zu unserem Treffpunkt in der Nähe von Mulhouse, und sie hat mich gerade kontaktiert, dass sie bereits auf der Autobahn bei Mulhouse ist.

So verabschieden wir uns herzlich. Eben und geradeaus führt mich der Kanal auf dem EuroVelo 6 weiter, bis es am allerletzten Kilometer vor meinem Ziel anfängt kräftig zu regnen. Das erste Mal heute, und so hört die Tour auf, wie sie am ersten Tag anfing.
Vom Demut lernen
Doch ich will nicht klagen! Denn ich bin auf dieser Tour tagelang durch Regen gefahren. Und es lehrt mich Demut, denn ich habe mal wieder gelernt, einfach wertzuschätzen, wenn es mal nicht regnet. Mal wieder ist Radreisen wie das komprimierte Leben. Wenn Du im Leben nur schätzt, wenn die Sonne scheint, wirst Du oft auch lange Durststrecken ohne Glück erleben. Wenn Du aber einiges an Regen erlebst, braucht es keinen Sonnenschein, um Glück empfinden zu können.
Ich lasse die Regenjacke in der Tasche, und kurze Zeit später freue ich mich, meine Frau zu umarmen und unseren Hund zu begrüßen. Wir warten die nächsten 30 Minuten geschützt an einer Bushaltestelle im kleinen Ort Montreux-Jeune im strömenden Regen ab, dann wandern Gepäck und Rad ins Auto.
Wasserlauf oben, Wasserlauf unten
Es folgt eine Urlaubswoche, zunächst verbringen wir zwei Tage in Colmar. Und dann? Das wissen wir noch nicht so genau, wäre für Radreisende auch einfach zu viel der Gewissheit!
Aber wenn ihr möchtet, gibt’s auch davon noch schöne Fotos und kleine Berichte. Sagt’s mir in eurem Kommentar! Das folgende Foto von Colmar ist schon einmal ein kleiner Vorgeschmack!
