Eine Radtour durchs Herver Land, eingeladen von der Belgien-Tourismus Wallonie. Das klingt nicht schlecht, doch wo ist es denn, dieses Herver Land? Okay, Belgien ist damit klar. Aber werden wir doch etwas genauer: Das Herver Land ist Teil der Wallonie. Ahhh! Nein, wo verflixt ist denn jetzt die Wallonie? Das ist wiederum der Süden Belgiens. Das Herver Land liegt zwischen Aachen und Lüttich, und damit direkt hinter der deutsch-belgischen Grenze. Also gerade mal einen Katzensprung, oder in meinem Fall eher eine Katzentour. Das von Heckenlandschaften, Obstwiesen und Weideland geprägte Herver Land wird begrenzt von Maas, Weser (Vesdre), den Niederlanden und Deutschland.
Übersicht Tour Herver Land
- Etappe 1: Auf dem Weg ins Herver Land
- Etappe 2: Tag der Köstlichkeiten – Rundtour im Herver Land
- Etappe 3: Sonntagsmarkt von Aubel
- Tour-Infos Herver Land
- Profil
- Unterkünfte
- Genuss-Samstage
- Sonntagsmarkt von Aubel
- GPX Strecken
Ab aufs Rad, Treffpunkt mit den anderen Radlern ist am Hauptbahnhof Aachen. Der wiederum liegt gerade mal 32 km von meinem Standort weg. Klar, da geht’s einfach mit dem Rad hin, schließlich verbindet Jülich und Aachen ein Schnellradweg, teils über eine alte Bahntrasse.
Etappe 1: Auf dem Weg ins Herver Land
Aachen – Abtei Val-Dieu | 31 km – 300 m bergauf, 350 m bergab
Vom HBf Aachen lassen wir zu sechst den Aachener Straßenverkehr erfreulich rasch hinter uns. Bald schon erreichen wir Belgien, und bevor wir im deutschsprachigen Kelmis auf den ersten RAVeL abbiegen, statten wir linkerhand der kleinen Rochuskapelle unter einer 400-jährigen Linde einen Besuch ab. Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut, liegt sie direkt am La Calamine, dem Weiher von Kelmis, der sich von hier aus den Weg „in’t Dörp“ sucht, wie man hier mundartlich so schön sagt.

Dann aber nimmt uns der RAVel L39 mit auf Tour. Die RAVels sind ehemalige Bahnstrecken, heutzutage umgebaut zu wunderbaren Radwegen, ohne jeglichen Autoverkehr, erstklassig beschildert. Es fährt sich sozusagen wie auf Schienen, schmunzle ich, während der Radtraum bei Plombières unmerklich auf den RAVel L38 übergeht. Ab und an darfst du an der Strecke auch immer wieder historische Züge oder Waggons zu bewundern. Für unsere heutige Hauptattraktion verlassen wir den Radweg bei Aubel, folgen einer ruhigen Landstraße durch hohe blühende Wiesen und erblicken staunend die wundervolle Abtei von Val-Dieu.



1216 von Zisterziensermönchen gegründet, führt heute eine Christengemeinschaft das Werk der Mönche weiter, wenn auch nicht mit ganz so strengen Ritualen. Wenn du hier ankommst, darfst du dich zunächst im Restaurant mit einer Spezialität und einem kühlen Getränk erholen. Das hausgebraute Trappistenbier ist dabei einer meiner Tipps, dazu vielleicht Kroketten gefüllt mit Herver Käse. Hmmm, lecker! Es gibt viel zu entdecken in der Abtei, neben einer empfehlenswerten Besichtigung der sakralen Räumlichkeiten kannst du auch eine Führung in der Brauerei buchen, in der 18.000 Liter Bier pro Tag (!) gebraut werden.
Und solltest du einfach etwas Ruhe suchen, so bietet sich der weitläufige gepflegte Park direkt hinter der Abtei für einen ausgiebigen Spaziergang an.
Etappe 2: Tag der Köstlichkeiten – Rundtour im Herver Land
Aubel – Herve- Aubel | 34 km – 400 m bergauf, 400 m bergab
Heute wird’s lecker!
Das Herver Land bietet allerlei regionale Köstlichkeiten. Handwerklich in Familienbetrieben hergestellt, schmeckst du hier die Lust am Produkt. Das wollen wir uns vor Ort ansehen und so führt unser erster Weg zur Fromagerie du Vieux-Moulin nahe dem 17.600 Einwohner Städtchen Herve. Auf die Qualität der Ursprungsprodukte wird hier höchster Wert gelegt, alles im Herver Land ist ein lebendiger Kreislauf der Natur rund um das Wasser der klaren Bäche, das Heu der weiten Wiesen und die naturnahe Haltung der Kühe. Das alles eingebettet im Prinzip der kurzen Wege, „circuits courts“ genannt.
Geschützte Ursprungsbezeichnung
Wer den milden würzigen Weichkäse mit geschützter Ursprungsbezeichnung einmal probiert hat, wird ihn wohl nicht wieder vergessen! Katia Polinard, die Enkelin der Hofgründer, führt uns stolz durch den Familienbetrieb und erklärt, dass es nur zwei Produzenten des Herver Käses gibt. In ihrem Betrieb stammt der Käse gar aus hochwertiger Rohmilch eines Nachbarbetriebs. Auf 40 t des köstlichen Käses pro Jahr kommt die Fromagerie du Vieux-Moulin und produziert so etwa 15 % Marktanteil.


Saftig
Weiter geht’s zum Atelier Constant-Berger. Nein, keine Kunstsammlung, sondern ein Atelier für Säfte, Cidre und Hochprozentiges. Das ganze aus den alten hochstämmigen Apfelbäumen der Region, deren Anbau aktuell eine Renaissance erfährt, nachdem sie eine Zeit lang dem Landbau eher weichen mussten. Ihre Äpfel sind deutlich aromatischer, als die ihrer verwandten niedrigen Sorten.
Und so bewundern wir auch hier den Kreislauf vom Naturprodukt der 180 t Früchte pro Jahr zur Presse und weiter zum köstlichen Endprodukt. Die Säfte sind köstlich, Säure, Süße und Frucht geben sich die Hand und selbst jetzt beim Schreiben läuft mir das Wasser im Mund zusammen. „Wie soll ich denn jetzt je wieder einen normalen Saft genießen“, lache ich. Verkauft wird direkt ab Hof und in umliegenden Geschäften.

In der Touristeninfo von Herve treffen wir Anne Zinnen, Direktorin der Maison du Tourisme du Pays de Herve. Mitten in Herve am ehemaligen Bahnhof und damit direkt am RAVeL L38 gelegen, erzählt sie uns von den zahlreichen Highlights des Herver Lands. Hier kommt jeder auf seine Kosten, der sich für Historie und für lokale Leckereien interessiert. Zur Historie zählt zum Beispiel auch das Fort Battice, das im Zweiten Weltkrieg ganze 12 Tage der schweren deutschen Artillerie standhielt und dann durch einen unglücklichen Abpraller einer Bombe verloren ging.


Das lassen wir uns nicht entgehen und folgen dem Radweg wieder Richtung Aubel. Ihr könnt das Fort nicht verpassen, es liegt unmittelbar am RAVeL L38. Übrigens liegt auch eins der hübschesten Dörfer der Wallonie am Weg, und so radeln wir den kleinen Abstecher nach Clermont-sur-Berwinne, das sich mit seiner hübschen Kirche und einem historischen Stadttor idyllisch in die hügelige Landschaft einfügt.
Perfekt für eine kleine Rast auf der Dorfwiese!

Auf zur nächsten Spezialität. Vielleicht kennt ihr das Produkt „Lütticher Delikatesse“, einen Aufstrich aus Birnen, Äpfeln und Dattel aus der Lütticher Region, den ihr mitunter beim Discounter findet? Dieser stammt tatsächlich auch aus einer großen Fabrik in Aubel, doch hier gibt es auch kleinere feine Siroperien, und einer davon statten wir nun einen Besuch ab.
Schnütz dich glücklich
In der Siroperie Artisanale d’Aubel sehen wir die großen Kessel, in denen aus je 8 kg Früchten 1 kg Sirup gewonnen wird. Im Vergleich werden für das „Industrieprodukt“ gerade einmal 4 kg Früchte verwendet – und den Unterschied schmeckt man. Ich hab‘s zuhause verglichen, denn zwei Töpfchen zum „Schnützen“, wie man hier (und in unserer Aachener Region!) sagt, wandern in meine Fahrradtaschen. Kennt ihr diese treffende Wort für „etwas leckeres naschen“ auch bei euch? Schreibt mir in den Kommentaren!


Den Sirup könnt ihr übrigens hervorragend zum Herver Käse, als Brotaufstrich und für die „Sauce Lapin“ zu Lütticher Buletten (Boulets à la liégeoise) genießen.
Etappe 3: Sonntagsmarkt von Aubel
Aubel – Aachen | 24 km – 260 m bergauf, 310 m bergab
Joa, dachte ich. Ein Markt. Und dann zurück nach Aachen. Doch dann erblicken wir den Markt von Aubel, den es seit etwa 400 Jahren gibt, und der im Sommer jeden Sonntag bis zu 4.000 Besucher überregional anlockt. Mit den Hügeln des Herver Lands im Hintergrund zieht er sich durch das idyllische Stadtbild, gesäumt von zahlreichen Restaurants, die auf ihren Außenterassen zum Verweilen und Genießen einladen.

Die Marktstände der lokalen Hersteller bieten Käse, Säfte, Sirup, Waffeln, Obst & vieles mehr aus der Herver Region an. Wir treffen Alexandre, gebürtig aus Aubel, der uns voller Leidenschaft über den Markt führt. Hier kennt jeder jeden, und so springt spontan der Bürgermeister hinzu, mit Arbeitshose und -schuhen, denn er besitzt gleichzeitig eine Metzgerei. Und ehe wir uns versehen, geht er zu einem Wagen und schleppt einen Sack Kartoffeln zu einem Stand. Das nenne ich mal Bürgermeister zum Anfassen.
Schlemmen und Bummeln
Kaum erklärt Alexandre weiter, gesellt sich Robert, der Direktor der Harmonie, dazu und begeistert uns für die neben ihm aufziehende Musikkapelle von Aubel. Wir treffen an einem Stand Katia von der Fromagerie du Vieux-Moulin wieder, und dürfen am Stand der Familie Halleux Waffeln in der 3. Generation probieren. Das Leben könnte schlechter sein! Restaurants zur Stärkung für den Rückweg gibt’s hier reichlich, und uns wird bewusst, dass das Schlemmen wohl bald ein Ende hat. Doch so nah gelegen, gibs mit Sicherheit ein Wiedersehen.



Der RAVeL führt uns auf erstklassigem Bahntrassenweg zurück nach Aachen, vorbei an der Bergbaustadt Plombiéres mit seiner einzigartigen Flora. Dank des schwermetallhaltigen Bodens wächst hier zum Beispiel endemisch das sehr seltene Galmei-Veilchen, das eine nationale Verantwortungsart innerhalb der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt darstellt.
Höchster Berg der Niederlande
Ein letztes Highlight bleibt, bevor wir den Bahnhof von Aachen ansteuern: Das Dreiländereck Aachen, an dem ihr euch im Schnittpunkt in den drei Ländern Belgien, Deutschland und Niederlande befindet. Historisch war es mit Neutral-Moresnet sogar ein Vierländerpunkt. Vorher gilt es nochmal tüchtig Höhenmeter auf den mit 323 m höchsten Berg der Niederlande zu absolvieren, die E-Biker unserer Gruppe düsen uns locker davon. Doch der Schweiß ist es wert, oben angelangt lässt sich die Tour mit einem wunderschönen Weitblick über die Wallonie Revue passieren.
Wer den Blick noch weiter schweifen lassen möchte, erklimmt für kleines Geld den Aussichtsturm. Und wer noch Zeit hat, der besucht das bekannte Labyrinth am Dreiländereck, mit seinen Wasserspielen im Sommer ein Riesenspaß nicht nur für Kinder.

Bergab führt unsere Route zurück zum Aachener Hauptbahnhof. Unsere Packtaschen sind dank der Spezialitäten eher schwerer, unsere Kenntnisse Ostbelgiens größer, und unsere Sehnsucht zurückzukommen intensiver geworden. Es war wie ein Besuch in längst vergangenen Zeiten, mit Menschen, die eine intensive Beziehung zu ihren Produkten und zu ihrem Herver Land führen. Danke dafür!
Tour-Infos Herver Land
Profil
Ordentlich hügelig, mit erstklassigen Radwegen. Die Strecken dieser 3-Tagestour sind nicht lang, dafür gibt es immer wieder einige Höhenmeter zu bewältigen. Entlang des RAVels sind diese deutlich ausgeglichener als abseits.
- Infos und Übersicht zum RAVeL-Netz
- Direkt zum RAVeL L38
- GPX Strecken: siehe unten!
Unterkünfte
Hier findest du Tipps für Unterkünfte aller Art im Herver Land.
Ein traumhaftes, Kleinod ist das Hotel Aux Etangs ruhig gelegen etwas abseits von Herve. Es bietet nicht nur moderne Zimmer mit einem tollen Frühstück, sondern im Restaurant auf der mit einem Platanendach beschatteten Terrasse erstklassiges Essen – allerdings auch zu exklusiven Preisen. Das richtige zum Feiern!
Genuss-Samstage: Leckereien entdecken
7 Produzent*innen bieten an den „Saveurs du Samedi“ („Genuss-Samstagen“) Besichtigungen an. Infos und Uhrzeiten für Führungen hier: https://www.paysdeherve.be/de/genuss-samstage
Sonntagsmarkt von Aubel
Sehr sehenswert, nicht vergessen etwas Raum in den Packtaschen zu lassen für all die lokalen Köstlichkeiten:
GPX Strecken
Etappe 1
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Mehr InformationenEtappe 2
In dieser Etappe sind auch die beschriebenen 3 Stationen der Fromagerie, des Ateliers und der Siroperie enthalten. Besichtigung nach Voranmeldung, z.B. im Rahmen der Genuss-Samstage. Alternativ lasst ihr die Abstecher einfach raus.
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Mehr InformationenEtappe 3
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Mehr Informationen
2 Kommentare
Lieber Bernd, ich lese deine Reiseberichte immer wieder gerne. Momentan warten wir darauf, dass unsere Tochter etwas größer wird, dass wir sie in den Radanhänger setzen können. Dann werden meine Freundin und ich wieder eigene, lange Touren starten. Bis dahin lesen ich deine Berichte und freue mich über neue Touren-Ideen. Viele Grüße, Micha
Lieber Micha,
vielen Dank für dein nettes Feedback, es freut mich, wenn die Berichte inspirieren! Die Phasen kenne ich, es ist spannend, dann auszuprobieren, wie es mit Radanhänger läuft. Wir probieren es gerade mit Hund und Anhänger, um die Basis für potentielle Long-Distance Radreisen zu legen.
Keep on cycling!
Bernd