Vlieland – Moddergat | Heute 74 km | Gesamt km 487
Um 5.30 Uhr schälen wir uns leise aus den Schlafsäcken. Nach einer schnellen Katzenwäsche bauen wir die feuchten Zelte ab. Um 6.15 Uhr sitzen wir auf den Rädern und fahren Richtung Hafen, so wie auch Wendy aus der Nähe von Tilburg mit ihrem Sohn. Mit ihr haben wir in den letzten Tagen immer wieder gern gequatscht. Auf der Fähre setzen wir die Gespräche fort und leihen ihr unser Ladegerät, die beiden werden Tristan noch ein ganzes Stück auf seiner Bahnfahrt begleiten, wie Tristan uns später erzählen wird.
Zwei Tage bin ich für einen schönen Sonnenaufgang früh aufgestanden, jetzt ist er da. Aber nun sitze ich auf dem Rad, und die Sonne geht hinter den Dünen auf. Es ist zum Verzweifeln! Als wir auf dem Schiff sind, kann ich noch ein paar schöne Fotos einfangen, aber die Sonne ist schon über dem Horizont.
Erstmal Kaffee auf Deck. Die knapp 1,5 Stunden lange Überfahrt nach Harlingen geht rasch. Wir begleiten Tristan zum Zug direkt neben der Fähre. Ich tippe für ihn Roermond als Reiseziel ein, stecke die EC-Karte in den Schlitzt und drehe mich nochmal fragend um. „Letzte Chance, willst Du nicht doch weiter mitkommen und die Tour mit uns zu Ende fahren?“ „Nein“, er schüttelt den Kopf. Ich tippe mit einem Kloß im Hals die PIN ein und gebe ihm die Fahrkarte. Wir helfen ihm mit dem Rad in den Zug und unsere Wege trennen sich. Wir sind sehr traurig, als der Zug abfährt. Wahrscheinlich ist er das auch gerade. Er war sehr zerrissen in den vergangenen Tagen seit Texel und hat großes Heimweh zu seiner Freundin. So lassen wir ihn mit einem Riss in unseren Herzen ziehen.
Wir fahren aus dem Hafen und lassen Harlingen hinter uns. Ein abrupter Landschaftswechsel. Nicht nur weniger, sondern keine Dünen mehr. Deich. Und Schafe. Und Deich. Und noch mehr Schafe.
Dieses Bild wird uns auf den nächsten 30 km begleiten, inklusive Slalomfahren um die Häufchen auf dem Deichweg. Als wir dem Deichkoller erliegen, fahren wir bei nächster Gelegenheit wieder auf die LF10 zurück und fahren durch kleine hübsche Dörfer hier in Friesland. Die Friesen sind sehr freundliche Menschen, seit Harlingen grüßt uns jeder Mensch. Bei unserer Mittagspause in Ferwert haben wir bereits 43 km hinter uns.
Dort haben wir eine ganz besondere Begegnung: Ein Wanderer mit einem Esel begegnet uns. Es ist Tjerk Ridder, der unterwegs ist auf dem Martinuspad von Paris nach Groningen und dabei dem guten Gedanken des Teilens von St. Martin folgt. #BonneRoute . Wir sprechen kurz, dann wandern sie weiter.
Julian wünscht sich von uns ein Kartenspiel, um abends spielen zu können. Tatsächlich werden wir im Ort fündig, müssen aber ein Doppelpack kaufen. Zwei Kilometer weiter treffen wir zufällig wieder auf Tjerk und Julian teilt mit ihm sein zweites Spiel. Es kommt zu einem inspirierenden Gespräch, worauf er Julian eine Kerze übergibt. Er ist auch in Deutschland schon mit einem Projekt ‚ohne Anhängerkupplung‘ unterwegs gewesen, er hatte dabei einen Wohnwagen, aber kein Auto. Nach einem kleinen Fotoshooting, er hat zwei Begleiter zur Dokumentation dabei, verabschieden wir uns von ihm und seinem Esel Lodewijk und setzen unsere Fahrt fort. Begegnungen, die einem in Erinnerung bleiben.
Wir kommen gut weiter, an der Anlegestelle nach Ameland halten wir uns etwas auf, da Julian in sechs Wochen mit seiner Klasse nach dort reist. Als ich wieder aufsteige, verliere ich das Gleichgewicht, komme nicht rechtzeitig aus dem rechten Pedal und stürze auf Knie und Handgelenk. Großer Schreck, etwas Blut, aber gutgegangen. Nur das Bike hat ne Macke im Lack, ist jetzt halt gebraucht.
Die Luft ist jetzt aber raus und wir beschließen in Moddergat zu bleiben. Auf dem Weg dorthin findet Julian noch eine Möwe, die nicht fliegen kann. Wir fahren an einer nahen Vogelauffangstation vorbei, die ich auf der Karte entdecke, und melden sie dort. Mit 74 km haben wir heute unsere höchste Kilometerleistung erreicht.
Der Campingplatz ist echtes Mini Camping, und für 15 € kommen wir für die Nacht unter. Ich bin traurig, das Zelt nicht mehr mit Tristan aufbauen zu können. Wir drei bleiben nun in einem Zelt. Abends gibt’s Patata im Imbiss, unsere Vorräte sind aufgebraucht und Tristans Platz bleibt leer. Er fehlt uns.