Jülich nach Dijon | Gesamt 446 km
Chaudeney-sur-Moselle (FRA) nach Vittel (FRA) | Tag 6 | heute 70 km | 827 HM
Was für eine wunderbar ruhige Nacht! Das einzige Geräusch, das man hören konnte, war das Rauschen des Winds im Kamin. Ansonsten ist in dem kleinen 700 Seelendorf Chaudeney-sur-Moselle einfach alles sehr beschaulich und ruhig.
Ich packe meine Sachen. Als ich ins Erdgeschoss meiner Gastfamilie komme, erwartet mich ein tolles Frühstück. Dazu bekomme ich Tipps, welche Route ich heute am besten fahre. Komoot möchte mich viele Kilometer über die befahrene Hauptstraße leiten, aber Olivier zeigt mir auf einer Landkarte eine schönere Route östlich an einer Militärbasis vorbei.
Abschied von einer tollen Familie
Ich habe mich unglaublich wohl und aufgenommen in der Familie gefühlt, und ich bin ein bisschen wehmütig zu gehen. Gern hätte ich mir etwas mehr Zeit für die Kids Pierre und Camille genommen, denn in Gesprächen steht die Sprachbarriere doch im Weg. Könnte ich nur mehr Französisch!
In der örtlichen Boulangerie erstehe ich zusammen mit einem netten Gespräch ein frisch belegtes Baguette und ein Croissant, mein Proviant für den Tag. So verliere ich keine Zeit, im nächst größeren Ort noch einen Supermarkt zu suchen, und persönlicher ist es dazu. Von der Mosel muss ich an dieser Stelle nun Abschied nehmen. Der Moselradweg bleibt mir in guter Erinnerung, den letzten Blick auf den schönen Fluss genieße ich besonders intensiv.
Zügig gewinne ich an Höhenmetern, und mir schwant, dass es nicht die letzten Steigungen für heute sein werden. Ich passiere die Militärbasis Nancy-Ocey und erfreue mich an etwas bislang seltenem auf der Tour: Sonne! Bis acht Uhr hatte es geregnet, aber nun starte ich endlich mal wieder ohne Regenbekleidung.
Es wird windig
Dafür frischt der Wind immer stärker auf. Als ich in Goviller südlich auf offene Fläche abbiege, reduziert er meine Geschwindigkeit schlagartig auf 8-10 km/h in der Ebene. Selbst bergab werde ich von nun an nicht mehr schneller als 15 km/h. So ziehen sich die Kilometer zäh, und als ich um 14 Uhr erst knapp 40 km erreicht habe, wird mir klar, dass es mit 80 km heute nichts wird. Ich beschließe, etwas zu kürzen und die Stadt Vittel anzupeilen. Es treibt mich bei Vandeléville weiter bis auf 380 HM und ich denke zu diesem Zeitpunkt, dass es wohl der höchste Punkt heute ist. Es geht endlich bergab, und ich schaffe doch nochmal knapp 25 km/ gegen den Wind.
Auf der Straße liegt ein Opfer des Straßenverkehrs, ein toter Fuchs. Sein Fell erinnert mich an unseren Hund. Ich schiebe ihn auf den Randstreifen, damit er nicht noch weiter überfahren wird. Ein schönes Tier.
Die Dörfer, durch die ich heute fahre, zeigen mir ein Bild abseits des Tourismus. Durchaus Ziel meiner Reisen, neben Begegnungen wie die mit meiner Gastfamilie. Mich interessiert das wirkliche Leben, die wirklichen Menschen. Oberflächliche Kulissen langweilen mich, ich suche am liebsten hinter ihnen. So reihen sich durch die sonntäglich menschenleeren Dörfer oft alte Bauernhäuser mit in die Jahre gekommenen Fassaden. Und doch hat alles hier seinen Charme. Die Menschen sind freundlich, und ich frage mich still, ob sie ihre Zeit wohl mehr ihren Familien und Freunden widmen, als einer tollen Fassade und einem schicken Auto.
Regen setzt ein, der Check des Regenradars lässt nichts Gutes ahnen. Ich ziehe die kompletten Regenklamotten an. In diesen regnerischen Tagen schätze ich es unglaublich, ordentliche Regenbekleidung zu haben. Wir haben uns viel Mühe gegeben, Sachen zu finden, die atmungsaktiv, wasserdicht und umweltfreundlich sind. Die kannst du übrigens einfach auf unserer Seite Radreisebekleidung & Schuhe durchstöbern.
Wenig später verlasse ich das Département de Meurthe et Moselle.
Département des Vosges
Das Départment des Vosges begrüßt mich nass. Starker Regen setzt ein, der stürmische Gegenwind peitscht ihn mir ins Gesicht. Davon träumen Radfahrer! Es sind die Ausläufer des Orkans Brigitte (Alex außerhalb Deutschlands), der in den Alpen mehrere Tote, Zerstörungen und Überflutungen mit sich gebracht hat.
Ich treffe heute keine anderen Radfahrer und ziehe alleine meine Bahnen über die regengeflutete Fahrbahn. Als es wieder aufhört, bin ich dankbar – doch es währt nicht lange. Entlang einem trostlosen wirkenden, nicht geerntetem Sonnenblumenfeld setzt der Regen erneut ein. Noch 11 Kilometer bis Vittel. Ich wähle die Strecke über La Grande They und kurbele mich und mein Gepäck wieder auf 450 m Höhe hinauf. Die anschließende Abfahrt könnte rasant sein. Doch die nassen und rutschigen Straßen in Kombination mit den starken nun seitlichen Windböen lassen mich bei 41 km/h schweren Herzens eine Grenze ziehen. Denn ein Sturz in diesem Wetter bei hoher Geschwindigkeit fehlt mir gerade noch.
Vittel
Ich komme am Campingplatz in Vittel an. Fröstelnd vom kalten Regen bei 8 Grad Celsius prüfe ich das Wetter für morgen früh. Regen. Nein, im Regen auf- und wieder abbauen, das brauche ich heute wirklich nicht. Ich finde ein kleines Hotel, handle einen Sondertarif aus und bekomme sogar ein besseres Zimmer. Und unglaublich: Im Untergeschoss ist ein Pool mit 34 Grad warmem Wasser. Ratet, was ich als erstes gemacht habe!
Aus der 5.000 Einwohner Stadt Vittel stammt übrigens das gleichnamige stille Wasser. Der Nachbarort mit rund 3.200 Einwohnern ist Contrexéville, und ja, du vermutest richtig: Dort hat das Wasser Contrex seine Heimat. Abends gibt’s eine Pizza 4-formages und weil ich immer noch hungrig bin eine Crêpe Grand Marnier. Lecker!
Für morgen stehen 104 km bis zu meinem Ziel an. Es soll den ganzen Tag regnen und wieder stürmisch sein. Heute waren es rund 800 HM, morgen sollen es ebenfalls wieder 800 HM werden. Ob ich das in einem Rutsch schaffe? Ich weiß es noch nicht. Für heute bin ich vollkommen geschafft, und muss mal vor Mitternacht das Licht ausmachen. Habt Geduld, falls ihr einen Tag warten müsst auf den nächsten Blogpost!