Jülich nach Dijon | Gesamt 301 km
Nittel (DEU) – über Schengen (LUX) nach Metz (FRA) | Tag 4 | heute 88 km | 320 HM
Heute morgen frühstücke ich im Hotelzimmer, denn meine Hafermilch wird schließlich nicht besser. Nachdem ich endlich alle getrockneten Sachen zusammen gepackt habe, bekomme ich an der Rezeption noch einen Kaffee spendiert. Mutig habe ich heute morgen keine Regenklamotten angezogen, denn es war zunächst kein Regen angekündigt. Um 9 Uhr sitze ich auf der Terasse unter den Sonnenschirmen des Hotels dann doch in kräftigem Regen. Schnell fällt die Entscheidung, wieder die vollständige Regenbekleidung anzulegen.
Der Seniorchef der Winzerei Apel erscheint in der Tür und zeigt sich wenig begeistert über den Regen, wenngleich die Natur es dringend braucht. Denn jetzt ist Zeit die Ernte einzufahren, aber so ist es zu rutschig für die Maschinen an steilen Hängen. Ich nutze die Gelegenheit mich zu erkundigen, wie denn der Jahrgang 2020 ob der vielen Trockenheit wird. Gut sagt er, teilweise sind die Trauben schon zu süß, was für Weine dieser Region eher unüblich ist. Sprach er, und wünscht mir eine gute Fahrt nach Metz.
In einer kleinen Bäckerei decke ich mich mit Verpflegung ein, und fahre entlang des Moselradwegs immer wieder an knorrigen Weinreben entlang. Ich halte kurz an und lasse mir ein paar Handvoll zuckersüße Trauben schmecken. Natürlich von einem wildwachsenden Weinstock – denke ich. Bei Wormeldange wird mir noch einmal bewusst, dass auf der anderen Seite weiterhin Luxemburg liegt.
Schreck in der Kurve
Gerade fahre ich mit 30 km/h einen abschüssigen Teerweg hinunter und möchte um eine rechtwinklige Kurve fahren, als ich merke, wie mir der Hinterreifen in der Kurve weg driftet. Ich bekomme das Fahrrad so gerade noch abgefangen, und bleibe stehen. Oh nein – Plattfuß hinten. Doch das Schicksal meint es trotzdem gut mit mir, denn keine 40 m weiter ist tatsächlich eine Grillhütte, die mir im Regen für die Reparatur Obdach bietet. Es wird die einzige Hütte auf den nächsten 60 km sein. Was für ein glücklicher Zufall, oder doch ein Wink des Schicksals?
Zwangspause
Ich baue das Hinterrad aus, und durch die Nässe ist einfach alles total verschmiert. Rasch finde ich das kleine Loch im Schlauch, flicke es, und baue das Hinterrad wieder ein. Wie praktisch, wegen des Regens rinnt ein Wasserstrahl vom Dach der Schutzhütte, an dem ich mir meine Hände zwischendurch immer mal wieder waschen kann. Nach knapp 50 Minuten geht es wieder weiter.
Hallo Frankreich!
Ich wechsle die Flusseite, und erreiche Schengen in Luxemburg, bekannt für sein Abkommen. Kurze Zeit später bin ich tatsächlich schon in Frankreich. Die Weinberge verlieren sich und gehen in flachere Umgebung über. Die Kühltürme des AKW Cattenom kommen in Sicht, und ich lege eine kurze Mittagspause ein. Sie bleibt tatsächlich kurz, denn ich möchte die verlorene Zeit der Panne wieder aufholen, um nicht zu spät an meinem Tagesziel Metz anzukommen.
Nur selten muss ich heute auf Bundesstraßen ausweichen, fast immer kann ich guten Radwegen folgen. Sie bestehen meist aus großen Asphaltplatten mit den typischen Rillen, doch sie lassen sich wirklich gut fahren. Die Mosel fließt in diesem Bereich so ruhig, manchmal hat man das Gefühl, dass sie ein stehendes Gewässer ist. Ich erreiche die 40.000 Einwohner Stadt Thionville. Ein Marokkaner spricht mich an und erzählt mir, dass er auch gerne mal eine Radreise nach Skandinavien machen möchte. Er freut sich mit mir zu sprechen, auch wenn die Sprachbarriere nur eine Verständigung mit Händen und Füßen zulässt. Als er hört, dass ich mit dem Rad um die Ostsee gefahren bin, sagt er: „Das möchte ich auch einmal!“
Wegen einer Baustelle muss ich durch die Stadt fahren und darf den starken Verkehr erleben. Ich erinnere mich an die Städte meiner Ostsee-Umrundung und daran, wie froh ich oft war, wenn ich sie verlassen konnte und wieder durch die wunderbare Natur mit ihren Pflanzen und Tieren radeln durfte. Insbesondere die Wildvögel haben es mir angetan, und bis heute ahme ich sie nach, sobald sie in Sichtweite sind und rufen. Wenn euch also einmal ein seltsamer Typ mit einem Reiserad entgegenkommt, der wie eine Wildgans ruft, dann bin das vermutlich ich.
Königliche Begegnung
Plötzlich steht er da, ein Königsreiher. Neugierig beäugt er mein Reiserad. Es schaut fast so aus, als habe er so etwas noch nie gesehen. Ich unterhalte mich ein wenig mit ihm, und stelle dann fest, dass er mich nicht versteht, denn er ist ja Franzose. Freundlich verabschiede ich mich mit ein paar Brocken Französisch und folge weiter dem Mosel Verlauf, der Richtung Metz zunehmend einen eher langweiligen Kanal-Charakter annimmt.
Zwei junge Frauen im Auto halten mich an und fragen mich nach dem Weg. Sie scheinen überrascht, dass ich mich nicht auskenne. Mit meinem fünf Packtaschen und klitschnassen Regensachen sehe ich ja auch wirklich so aus, als kenne ich mich hier aus, denke ich schmunzelnd.
Camping ade
Camping in Frankreich werde ich wohl vergessen können. Nicht nur, dass alles schlammig durchweicht vom Regen ist, sondern zusätzlich habe ich ein deja vu von Finnland. Dort klappten die Campingplätze am 31. August ihre Bürgersteige hoch, in Frankreich am 30. September, zumindest viele. Knapp vorbei ist auch vorbei.
Ich erreiche Metz mit seinen 117.000 Einwohnern. Sie ist bislang die größte Stadt auf meiner Tour und Hauptstadt des Départements Mosell. Sie bietet hübsche historische Gebäude. Es fällt mir schwer, mich in der Stadt zurecht zu finden, und so frage ich ein paar Mal nach dem Hauptbahnhof. Einige Restbrocken Französisch helfen weiter, denn auch viele junge Leute verstehen kein Englisch. Ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, dass Franzosen ihre Sprache vorziehen, aber das überrascht mich dann doch etwas. Aber hier bin ich der Gast, und fast schäme ich mich etwas, dass ich so wenig Französisch sprechen.
Im Hotel angekommen ist es aber kein Problem. Hier werde ich am Empfang wirklich herzlich willkommen geheißen, und der Kaffee, den ich um 18.30 Uhr bestelle, geht aufs Haus. Ich muss wohl doch ziemlich erbärmlich aussehen nach einer neunstündigen Regenfahrt mit Panne.
Für morgen wünsche ich mir einfach weniger Regen, wobei das eigentlich recht einfach zu bewerkstelligen sein dürfte. Ich bin gespannt, was Petrus für mich bereit hält!
2 Kommentare
Ui, ui. Radeln im Herbst kann wohl auch feucht sein … ich drücke die Daumen, für die nächsten Tage, daß es soch auch mal herbstliche Sonne gibt. Also dieser Königsreiher sieht ja toll aus. Und scheinbar ist der extrem entspannt, wenn er nicht abhaut, wenn so ein komisches Gefährt näher kommt 🙂
Weiterhin gute Fahrt!
Dankeschön! Das stimmt, dauerfeucht. Gestern gab es leider einen 11-stündigen Regenfahrtag. Aber es macht einen demütig – ich freue mich schon, wenn der Regen einfach mal zwischendruch aussetzt! Der Königskranich gehörte denke ich zu einem Grundstück dort an der Mosel, das war eine tolle Begegnung!