Ostsee-Umrundung | gesamt 7.222 km
Ystad (SWE) – Kopenhagen (DNK) | Tag 92 | heute 115 km
Als ich gegen 8:30 Uhr zum Frühstück gehe, schaut eine nette Dame aus dem Nachbarzimmer ums Eck und begrüßt mich freundlich.
Tipp: Es ist Karen, eine der drei Eigentümerinnen des gemütlichen Bed & Breakfast Hotels Bäckagården in Ystad, das ich nur empfehlen kann. Es hat dieses ‚Zuhause Gefühl‘, das nur selten und nie bei Hotelketten zu finden ist.
Champagner für den Meilenstein
Ich bin der einzige Gast, der jetzt noch beim Frühstück ist, und so erfahre ich, wie die drei an das Haus gekommen sind. Für Karen war es nach 40 Jahren Arbeit als Polizistin einfach an der Zeit, etwas anderes zu tun. Wir bemerken durchaus parallele Ansätze, und so finden wir schnell zu inspirierenden Themen und Gesprächen. Ich erzähle ihr davon, dass ich gestern meinen Meilenstein ‚7.000 km‘ erreicht habe, und nutze die Gelegenheit mit ihr ‚Highfive‘ einzuschlagen. Sie sagt mir, ich solle einen Moment warten und springt in die Küche. Als sie zurückkommt, hält sie eine kleine Flasche Champagner in der Hand und gratuliert mir herzlich zu dem Meilenstein.

Es ist, wie es meistens ist: Nach einem grauen Tag des Grauens folgt zum Ausgleich etwas besonders Schönes. Ich darf mir außerdem vom Frühstücksbuffet ein Verpflegungspaket für den Tag zusammenstellen. Die Flasche Champagner habe ich noch nicht geöffnet, ich sage zu Karen, dass ich sie eventuell abends öffne, oder vielleicht erst ganz zum Ende der Tour, denn sie ist eine besondere Geste für mich.

Sie steht noch in der Tür und winkt, als ich losfahre zum Haus von Kurt Wallander, dem Krimi-Kommissar aus Ystad. Dort und von der hübschen Innenstadt schieße ich ein paar Fotos und fahre nun gegen den Wind westlich die Küste entlang. Da mein Kilometerpensum heute nur 85 Kilometer beträgt, bin ich dabei jedoch deutlich entspannter als gestern, obwohl es schon 11 Uhr ist.




Der nun folgende Radweg führt ganz dicht an der Küste entlang, so wie ich es mir immer gewünscht habe, aber sehr selten vorgefunden habe. In der Ferne passiert die Fähre nach Bornholm, aber die Insel bleibt ein eigenes Kapitel, es wird ein andermal erzählt.

Traumradweg bis Trelleborg
Die nächsten 40 Kilometer bis Trelleborg sind ein wahrer Traum. Die Sonne scheint bei angenehmen 15° Celsius, und ich durchfahre kleine hübsche Dörfer. Ich passiere die Ruine von Hörte, die nie Bestandteil eines Gebäudes war, sondern tatsächlich 1907 als Ruine oder Kulisse durch Albrecht Baltzar Wallis vom Schloss Dybäck aufgebaut wurde. Das war während des 18. und 19. Jahrhunderts tatsächlich nicht ungewöhnlich, inspiriert durch die Ausgrabungen der antiken Städte Herculaneum und Pompeji.

Mir wird wieder einmal bewusst, wie eng einige doch meinen Blog verfolgen. Denn ich bekomme eine Whatsapp Nachricht, dass ich gerade den südlichsten Punkt Schwedens erreicht habe. Danke fürs Erinnern, Helmut, fast wäre ich vorbeigefahren! Den kleinen Leuchtturm habe ich fotografiert, gleichwohl hatte ich nicht das Bewusstsein für den südlichsten Punkt.





In Trelleborg liegen abermals große Fähren, denn von hier kann man weiterfahren nach Travemünde, Rostock, Swijnemünde und Klaipeda. Alles Städte, die ich noch mit Tristan mit dem Fahrrad erreicht habe. Stolz darf er sein, so viel erradelt zu haben.



Das Wetter schwingt nun um, und ich stelle mich für einen Regenschauer unter. Dafür lasse ich den Gegenwind hinter mir und fahre nun nordwärts Richtung Malmö weiter.

Malmö – erste Zugfahrt seit Start der Tour
Malmö ist mit über 300.000 Einwohnern keine kleine Stadt, und ich muss mich erst bis zum Hauptbahnhof durchfuchsen. Dort kaufe ich mir ein Ticket für den Zug nach Kopenhagen, denn ich darf über die fast 8 Kilometer lange Öresundbrücke nicht mit dem Fahrrad fahren. Es ist meine erste Zugfahrt seit dem Start der Tour am 8. Juli. Über 3 Monate bin ich nun auf dem Rad unterwegs, irgendwann nach der Tour werde ich die Ruhetage einmal herausrechnen. Ich bin auf die tatsächlichen Fahrradtage und die durchschnittlichen Kilometer gespannt.



Als ich in Kopenhagen den Zug verlasse, begrüße ich mein zehntes und letztes Land auf dieser Reise: Dänemark. Es regnet, und ich bin froh, dass mein Hotel gerade einmal 200 Meter um die Ecke liegt. Die Dame an der Rezeption ist aus St. Petersburg, und kann es nicht fassen, dass ich den ganzen Weg mit dem Rad zurückgelegt habe. Ein Däne passiert mein vollbeladenes Rad in der Lobby und meint zu mir, dass ich in der falschen Jahreszeit unterwegs bin. „Im Sommer ist so viel mehr zu sehen, jetzt hat doch alles geschlossen!“. „Ja“, sage ich lachend, „das habe ich auch schon festgestellt!“.

Zusammen mit der Zugfahrt ist es nun schon wieder spät geworden, und ich habe 115 km hinter mir. Ich bin von den letzten Tagen physisch unheimlich geschafft und suche mit meiner Frau noch nach einer gemeinsamen Unterkunft für Fehmarn. Dann bereite ich den kommenden Tag in Kopenhagen vor, und bin froh, als ich mich in ein weiches Kopfkissen fallen lassen kann. Wohlwissend, dass ich mit meinem Blog zwei Tage im Rückstand bin. Aber ich werde morgen Vormittag und Abend sicherlich Zeit finden, um aufzuholen.