Ostsee-Umrundung | gesamt 6.756 km
Oskarshamn (SWE) – Kalmar (SWE) | Tag 88 | heute 84 km
Als ich morgens in den Frühstücksraum komme, sitzen nur zwei Herren dort an den Tischen, den Blick versenkt in schwedische Zeitungen und mir den Rücken zugewandt. Sie sitzen übrigens hinter schwedischen Gardinen – und sind doch frei. Es sieht nicht nach Kommunikation aus. Doch es kommt ganz anders. Über eine Brot-Empfehlung komme ich mit Frederik, einem der beiden Herrn, ins Gespräch. Er hat gerade eine Ausbildung zum Techniker gemacht, und versucht beim hiesigen Kernkraftwerk eine Arbeit zu bekommen. Jahrelang hat er vorher einen Job gemacht, der ihn nicht mehr glücklich gemacht hat. Er war einfach zu monoton. Frederik ist sehr neugierig, was ich alles auf der Tour erlebt habe, und wie mir die Menschen in den verschiedenen Ländern begegnet sind. Irgendwann muss er weiter, er lebt hier in der Stadt und hilft heute Freunden beim Umzug. Dafür brauchte er ein kräftiges Frühstück.
Ich verlasse Oskarshamn Richtung Süden vorbei an der im Hafen liegenden Fähre nach Gota, und sehe in der Vorhersage, dass in meiner Zielstadt Kalmar aktuell Schnee-Regen fällt – bei gefühlten Temperaturen von -3°. Hier scheint aktuell noch die Sonne bei +5° Celsius. Mit dieser Aussicht fühlen sich die +5° doch direkt viel besser an!
Während ich konstant vor mich hinradel, wird neben mir ein mich überholendes Auto langsamer, ein Pärchen beäugt mich aus dem Beifahrerfenster heraus, dann wird es wieder schneller. Als ich um die nächste Kurve komme, steht das Auto an einer Haltebucht. Der Fahrer ist ausgestiegen und winkt mir freundlich kurz anzuhalten. Er ist ganz begeistert und erzählt, dass er letztes Jahr mit dem Rad nach Bosnien gefahren ist. Schnell zeigt er mir einige Radreisebilder auf Facebook, wir connecten uns und schießen ein Radreisefoto. Eine lustige Begegnung!
Klosterruine Kronobäck
An der Klosterruine Kronobäck lege ich nach 30 Kilometern eine erste Pause ein. Hier lag vor 500 Jahren ein Kloster, das zum Johanniterorden gehörte. Das Kloster hörte 1528 auf zu existieren. Im Zuge der schwedischen Reformation fiel das Eigentum an den König. Das zugehörige Hospital wurde jedoch weitere 40 Jahre betrieben. Die Enteignung des Klosters und der Kirche war Bestandteil einer durchgreifenden Veränderung der schwedischen Kirche. Die katholische Lehre wurde 1593 in Schweden verboten.
Die Landschaft verändert sich nun wieder. Es ist weniger hügelig, die Höhenmeter nehmen weiter ab. Die maximale Höhe heute liegt bei ungefähr 30 Metern, in den letzten Tagen waren es noch oft 60 Meter. Und an der Hohen Küste und in den Bergen davor habe ich immer wieder die 250 Meter Marke überschritten. So kann ich heute eigentlich entspannter fahren.
Aber der Rest meiner heutigen Fahrt ist vor allem eins: Kalt! Die Temperatur steigt nicht über 7 Grad, dazu weht ein eisiger Wind. Gefühlte Temperatur laut Wetter Online: 2 Grad Celsius. Langes Stehenbleiben für Pausen führt zu schnellem Auskühlen, insbesondere der Finger, denn zur Nahrungsaufnahme muss man doch die Handschuhe teils ausziehen. Sobald die Sonne durchschaut, sauge ich die Strahlen auf wie eine Sonnenblume. Die Wildgänse über mir am grauen Himmel schreien laut, ich meine zu verstehen, dass sie rufen: „Es wird Winter!“. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein und in Wirklichkeit rufen sie „kraaaah, kraaaah!“.
Eine weitere Veränderung sind die hübschen Steinmauern, die nun um Weiden und Grundstücke gezogen sind. Oft sind sie von Moos überzogen, immer geben sie der Landschaft einen besonderen Charakter. An einer Stelle endet eine Mauer in einem großen Steinhaufen, wie ich zunächst denke. Ein Schild erklärt mir jedoch, dass dies eine Röse, ein Steinhügelgrab aus der Bronzezeit ist.
Abends möchte ich mir in dem Hotel, das eher eine Jugendherberge ist, etwas kochen. Aber die Küche ist voll belegt. In der 40 qm großen Küche tummeln sich 25 Menschen. Nach einer Stunde immer mal wieder nach einer freien Herdplatte schauen gebe ich auf, fahre in die 1,5 Kilometer entfernte Stadt durch 3 Grad Nieselregen und finde ein indisches Restaurant. Die Campingtasche mit den Vorräten packe ich später wieder zusammen. Läuft ja nicht weg. Lecker war’s!
2 Kommentare
It was really Nice meeting you, and I wish you good luck on your travels.
Thank you, Samir, what a nice meeting with you! Keep on cycling!
All the best from Karlskrona
Bernd