Ostsee-Umrundung | gesamt 6.229 km
Stockholm (SWE) | Tag 80-82 | heute 8 km | gesamt 6.229 km
Da ich Stockholm zunächst nur für eine Nacht gebucht habe, muss ich am nächsten Tag das Hotel wechseln. Zunächst steht aber der Besuch eines Radladens auf dem Programm, in dem ich versuche, Ersatzspeichen und einen neuen Speichenschlüssel zu bekommen, sowie einen Blick auf mein Hinterrad werfen zu lassen. Der erste Laden besitzt keine Werkstatt, obwohl die Kommentare auf Google etwas anderes sagen. Der Zweite will mein Hinterrad neu aufbauen lassen und schickt mich zu einem Radbauer. Erst ganz zum Schluss offenbart er mir, dass dieser 30 km außerhalb der Stadt Richtung Osten liegt. Als wenn ich die Muße auf der Tour habe, 60 km ab von der Strecke hin und her zu fahren.
Beim Dritten bekomme ich endlich meine Speichen und das Werkzeug, aber einen Blick auf das Hinterrad kann er erst frühestens kommenden Dienstag oder Mittwoch werfen, weil alle Termine ausgebucht sind. Ja, klar solange kann ich auf jeden Fall warten – nicht. Immerhin habe ich jetzt fünf neue Speichen und einen ordentlichen Speichenschlüssel an Bord und kann mir selber helfen.
Fridays for Future Stockholm – das Original
Das neue Hotel liegt etwas außerhalb von Stockholm im Bezirk Hammarby Sjöstad, und ich passiere zunächst die Altstadt Gamla Stan in den Bezirk Södermalm. Es werden immer mehr Menschen, und plötzlich realisiere ich, dass ich mitten in einer Demo stehe. Ach ja, es ist Freitag, die große Demo der ‚Fridays For Future‘ Bewegung findet natürlich auch in Stockholm statt. Sie setzt sich in Bewegung und ich bemerke, dass ich vom Demozug eingeschlossen bin. Für fast eine Stunde sitze ich fest und komme nicht vor und zurück. Wie schön, so viele Menschen aller Altersklassen, die sich für Klimaschutz stark machen und ich mittendrin! Was ist das für eine wundervolle Bewegung geworden. Irgendwann muss ich doch weiter und so gehe ich einfach ein Stück mit dem Demozug mit und quere dabei langsam die Straße.
Erwartet werden 20.000 Teilnehmer, am Ende sind es mehr als 60.000! Sie skandieren die auch mir bekannten Parolen wie ‚What do we want – Climate Justice, when do we want it – now!‘ , jedoch nicht wie wir in Deutschland auf Englisch, sondern auf Schwedisch.
Stockholms wunderschöne Altstadt
Am Nachmittag schaue ich mir die Altstadt von Stockholm in Ruhe an und beobachte auch eine Wachablösung am Königspalast. Ein Blick in die königliche Kapelle hinein zeigt die prachtvolle Gestaltung. Die zusätzliche Besichtigung der Kronjuwelen kostet 15 €, die ich lieber in etwas Nahrhaftes investiere.
Besonders die Altstadt mit ihren vielen verwinkelten engen Gassen lässt sich gelassen entlang schlendern und erkunden. Dort finde ich auch endlich meinen schwedischen Geocache, den ich erfolgreich loggen kann.
Stockholm hat so viele große historische Gebäude, dass sie zu Fuß kaum zu erschließen sind. Da ist es gut, mit dem Fahrrad oder einem der vielen umherstehenden Elektroroller auf dem hervorragend ausgebauten Radwegenetz unterwegs zu sein. Wobei auch hier in der Hauptstadt die schwedischen Autofahrer nicht unbedingt Rücksicht auf die Zweiradfahrer nehmen.
Die Nacht hindurch schlafe ich tief und fest und genieße, dass ich am Tag einmal kaum radfahren musste und regenerieren kann.
Es regnet am Folgetag ganztägig recht stark und ich beschließe, noch weiterhin in Stockholm zu bleiben.
Vasa Museum
Top-Tipp: Auf Empfehlung meines lieben Schwiegersohns Torsten besuche ich das Vasa-Museum mit dem historischen Schiff Vasa aus dem 17. Jahrhundert, das in imposanter Größe in einer Museumshalle ausgestellt ist. Es sank am 10. August 1628 schon bei seiner Jungfernfahrt aus dem Hafen hinaus wegen einer Fehlkonstruktion, es war zu schmal und hoch gebaut bei zu hohem Gewicht und hatte zu wenig Platz für stabilisierenden Ballast. Ein Glücksfall für uns, denn sonst wäre es für uns in geringer Tiefe des Stockholmer Hafens im Schlick des Brackwassers nicht so hervorragend erhalten geblieben. Erst 333 Jahre später konnte es 1961 geborgen werden. Man kann das zu 98% aus Originalteilen bestehende Schiff aus allen Etagen und ringsherum bestaunen, sowie alles zur Geschichte, zur Bergung, Präparation und vielem mehr erfahren. Nur die prachtvollen Farben sind verloren gegangen, man kann die Farbenpracht aber an Beispielen erahnen. Es ist ein wundervolles, informierendes und anschauliches Museum und damit eine Top-Empfehlung für Stockholm.
Der Untergang der MS Estonia
Als ich später im strömenden Regen das Museum verlassen, passiere ich eine Gedenkveranstaltung zum 25-jährigen Untergang der Fähre MS Estonia mit damals 852 Toten. Es war die größte Schiffskatastrophe Europas nach dem zweiten Weltkrieg. Sie fuhr von Tallin nach Stockholm, zwei der Städte, in denen ich nun war. Auch Kronprinzessin Victoria ist anwesend. Es gibt ein Kondolenzbuch und die Forderung, die nie richtig geklärte Ursache für den Verlust der Fährenklappe zu klären und die Ertrunkenen zu bergen, was immer wieder von der schwedischen Regierung trotz Forderungen von Kommissionen abgelehnt wurde. Seltsam, statt dessen wurden 30 der 150 Meter langen Fähre mit Steinen zugeschüttet, dieses Vorgehen aber dann auch wieder staatlich gestoppt.
Auch am nächsten Tag streune ich durch die Stadt und entdecke unzählige historische Gebäude, egal wohin ich schaue. Die Stadt ist weitläufig und groß, das U-Bahn- und Tram-Netz jedoch super. Nur billiger könnte es sein. Eine einfache Fahrt kostet rund 4,50 € für dann 75 Minuten, das Tagesticket circa 15 €.
Ich verlängere eine weitere Nacht und lasse mich tagsüber nochmal durch die schmalen Altstadt-Gassen treiben.
Tipp: Ein Preis-Leistungs-Highlight besonders hier in der teuren Altstadt ist das vegetarische Restaurant Grön Hermitage. Hier gibt es für circa 14 € ein vegetarisches Buffet mit vielen geschmacklich ansprechenden und sättigenden Speisen, zu 70% bio.
Stockholm ist einen Besuch wert. Die Stadt ist weitläufig, aufgeräumt, modern und touristisch belebt, ohne dabei überlaufen wie beispielsweise Sankt Petersburg zu sein. Sie ist durchzogen von Wasserläufen und besteht aus vielen Inseln. Für schlechtes Wetter gibt es diverse interessante Museen, bei gutem Wetter bieten sich die Altstadt, aber auch die modernen neueren Viertel und Fahrten mit den Schiffen an. Langweilig werden muss einem in Stockholm nicht, und man kann sich dem Trubel rasch wieder entziehen.
Morgen wird es 109 Kilometer weiter nach Nyköping gehen. Für abends ist starker Regen angesagt und so muss ich mich morgen früh sputen, Richtung Südwesten aufzubrechen, um rechtzeitig anzukommen. Die Fahrt aus einer Großstadt hinaus ist wegen der Orientierung auf den ersten zehn Kilometern immer etwas langsamer.