Ostsee-Umrundung | gesamt 5.026 km
Haparanda (SWE) – Kalix (SWE) | Tag 67 | heute 70 km
Beim ausführlichen Frühstück lerne ich zwei Deutsche kennen, die für Siemens in Finnland arbeiten und für 3 Wochen hier sind. Wir unterhalten uns lange über das Projekt, die Natur hier oben und stellen dann fest, dass einer der beiden, Thorsten, aus Würselen ist. So klein ist die Welt, lachen wir. Heute wollen sie zum Polarkreis fahren, und dort ins Meer springen. Verrückte Idee, das gefällt mir! Und auch wenn es heute kalt ist, die Sonne strahlt, so dass es möglich scheint. Wir stehen zum Schluss noch an meinem Rad, und Thorsten sagt im Weggehen, dass er mir übrigens 30 Kilometer finanziert hat. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben und verpasse das Spendenfoto. Danke, Thorsten!
Abends spricht mich meine Frau auf eine zweite Spende über 49 € an, sie kommt aus einer Familie, die unser Projekt wirklich fortlaufend unglaublich finanziell unterstützt. Habt herzlichen Dank, ihr seid echt verrückt!
Es gibt diese Tage, da bin ich so bekloppt und fahre auch noch extra Schleifen. Wenn es sich dann wenigstens lohnt. Heute hat es sich gelohnt!
Kukkolaforsen auf schwedischer Seite
Noch einmal fahre ich heute Morgen 16 Kilometer an diese wunderschöne Stelle Kukkolaforsen am ‘Torne älv‘, diesmal auf schwedischer Seite. Als ich gestern im Regen zurück fuhr, sah ich, dass meine Route heute tatsächlich auf der anderen Seite wieder vorbeiführt. Da hätte ich mir die Regenfahrt fast sparen können. Aber es lohnt sich, sie heute nochmal in der Sonne zu sehen. Es ist der letzte Fischereitag, die Schonzeit beginnt morgen und die Fischer beginnen die Gerüste abzubauen. In der Wetteraussicht sind für das Inland von Lappland kommende Woche Schneefall und nächtliche Minustemperaturen angesagt. Alles richtig gemacht.
Als ich gerade fahren möchte, sprechen mich ein paar Berliner Worte an. Jürgen, ehemals aus Berlin, lebt heutzutage mit seiner Frau in Norwegen. Sie machen regelmäßig mit dem Wohnmobil hier Urlaub, da dies einer der wenigen ganzjährig geöffneten Campingplätze in Schweden ist. Jürgen ist ein echter Insider, was die nordischen Länder angeht. Er erklärt mir auch, wie unterschiedlich schnell die Tage kürzer werden. Sind es bei uns nur zwei Minuten am Tag, so sind es hier in Kukkola schon zehn Minuten am Tag, am Polarkreis dann sogar um die 15 Minuten am Tag. Wir tauschen uns über die Entwicklungen in Norwegen aus, über die Wortkargheit der Norweger und Finnen, und wie schwierig es ist, als Außenstehender in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden.
Wir sprechen sicher eine halbe Stunde, und die verschiedenen Themen sind so interessant, dass ich mich kaum lösen kann. „Butan friert bei Null Grad ein“, erklärt er mir. „Propan geht bis unter minus 30 Grad“. „Woher weißt Du das alles“, frage ich ihn. „Man friert nur einmal ein!“, antwortet Jürgen lachend. Aber so langsam muss ich los, es ist 13:30 Uhr und ich habe erst 16 Kilometer, das habe ich sonst um halb elf.
Es geht noch etwas nordwärts zu meiner ultimativ nördlichsten Stelle, dann biege ich nach Westen auf eine unbefestigte Straße ab.
Sie ist aber so fest, dass die kommenden 20 Kilometer ein Genuss sind. Die tiefen Temperaturen beginnen das Laub zu verfärben, links und rechts in den Gräben gluckst friedlich Wasser und es ist mucksmäuschenstill im Wald. Die Straße führt mitten durch dichtes Waldgebiet, es geht ordentlich hoch und runter.
80 Kilometer weiter nördlich, erzählte Jürgen, gab es letzte Woche noch einen Angriff eines Bären auf einen Jäger. Er hat es wohl leider nicht überlebt, der Bär.
Ich komme an einsamen glitzernden Seen vorbei, es ist nichts mehr los. Die Schönheit des Weges und der Seen verschlägt mir die Sprache. Laut höre ich mich sagen: „Womit verdiene ich diese unglaubliche Schönheit?“ Es ist, als wolle mir die Natur sagen ‚endlich hast du es verstanden und rumgedreht, hier ist deine Belohnung!‘. Immer wieder halte ich an und mache Fotos. Es ist nicht einfach, diese Wunderlandschaft einzufangen, zu sehr ist es ein 360° Erlebnis für alle Sinne. Schweden, wie wir es uns immer vorstellen. Vielleicht wäre mir Finnland, das Land der zehntausend Seen, im Inland auch so begegnet?
Auf 30 Kilometern sehe ich vielleicht zehn Autos. Tatsächlich sind auf dieser Piste 70 km/h erlaubt!
Dann ein zweiter Meilenstein nach dem Grenzübertritt nach Schweden. Bei Kilometer 44 des Tages erreiche ich meinen 5.000sten Kilometer! Exakt an einer kleinen Übernachtungshütte direkt an einem See. Ich trage mich ins Gästebuch ein, trinke Kaffee und Kuchen aus meinen Taschen, raste etwas, und feiere mit mir selbst diesen grandiosen Meilenstein.
Bevor ich den unbefestigten Weg verlasse, geht es nochmal kräftig 50 Höhenmeter steil bergab, und ich genieße den Fahrtwind bei über 53 km/h unter höchster Konzentration auf nicht asphaltiertem Weg.
Die folgende asphaltierte Straße ist weiterhin ruhig, und ich rolle entspannt wie lange nicht nach Kalix. Und selbst dort versüßt mir der Radweg entlang des Wassers die letzten Kilometer. Heute will aber auch einfach alles schön sein!
In Kalix habe ich eine Sauna und wärme mich auf. Es war zwar sonnig, aber nur circa elf Grad Celsius warm, zusammen mit dem Wind nochmal kühler. Ich besorge mir eine neue Daten-SIM und stelle fest, dass Schweden bei mobilem Internet genauso teuer ist wie Deutschland. Wie unterschiedlich die Preisniveaus in der EU sind! Aber die schnelle Datenverbindung ist für mich auf den einsamen Fahrten eine wichtige Verbindung zu meiner Familie und euch. Tief im Wald war ich heute mehrere Stunden offline, denn die finnische SIM geht hier nicht mehr, obwohl es der gleiche Provider ‚Telia‘ ist. Schade, sie war mit unlimited Datenvolumen noch 13 Tage gültig, ich hatte gehofft sie gilt auch hier, sonst hätte ich sie in Finnland verschenkt.
Morgen geht es nach Luleå, das sind dann ungefähr 100 km. Es soll leicht regnen ab Mittags. Na, da bleibt mehr Zeit zum Radeln, Fotos sind dann eher weniger angesagt!
2 Kommentare
hallo bernd,
wie schade …..und wie SINNVOLL ,das nordkapp jetzt im herbst auszulassen !! und : es ist wirklich auch toll,sich einen „TRAUM“ für einen anderen zeitpunkt aufzuheben.bei so langen reisen geht sowieso nicht alles nach plan……
ich finde es vor allem SUPER,dass du fit und gesund bist……keinen unfall hattest oder sonst ein drama auf den routen mit viel befahrenen strassen. die sahen ja teilweise gruselig aus!
weiter alles gute und sooooo schöne aussichten,wie wir sie auf deinen fotos sehen dürfen!
tschüß charlott
Liebe Charlotte,
ja, es tut ein bisschen weh, ich wäre heute zeitlich gesehen am Kapp gewesen, aber Jürgen kommentierte schon, dass es ersten Schnee auf den Weg gab. Also wer weiß, ob ich wirklich dort wäre. Jetzt bin ich schon wieder halb die schwedische Küste runter und nähere mich Tag für Tag dem Süden, im Versuch schneller als der skandinavische Winter zu sein!
Alles Liebe und bis bald!
Bernd