Mein Nordkapp Traum ist zum Greifen nahe. Unser Baltic Sea Project nähert sich der Hälfte der angestrebten 10.000 Kilometer. Wir sind unglaublich stolz auf die Tour. Und auf euch, denn ihr seid mit all euren Kommentaren und Spenden die tägliche Motivation. Und Teil des Erfolgs und jedes einzelnen Kilometers. Wenn ich fahre, dann bekomme ich auf meinem GPS jeden Social Media- und Blog-Kommentar fast live gespiegelt. Es motiviert ungemein, keiner ist umsonst!
Ich wusste von vornherein, dass während der Tour Entscheidungen anstehen werden. Fast möchte ich als alter Projektmanager sagen: Wie in jedem Projekt. Denn es ist ja mein ‚Baltic Sea Project‘. Ein Projekt meines Herzens.
Zwei große Entscheidungen
Erstens Finnland über Lappeenranta abzukürzen und somit ca 600 Kilometer einzusparen. Und zweitens das Nordkapp auszulassen. Diese Entscheidungen wollte ich mit Tristan treffen, nun muss ich sie mit mir alleine ausmachen. Die erste Entscheidung ist lange durch: Die Abkürzung durch Finnlands Inland über Lappeenranta habe ich ausgelassen und bin dem Eurovelo 10 der Küste entlang über Helsinki weiter gefolgt.
Der Kern des Projekts war immer die Umrundung der Ostsee, der EuroVelo 10. Zur Kür haben wir das Nordkapp oben drauf gesetzt. 1.600 zusätzliche Kilometer mit Überschreitung des Polarkreises. Alles schien perfekt geplant. Als ich Russland verließ, dachte ich, ich habe längst eine Woche verloren. Und musste feststellen: ich bin taggenau im Projektplan. Das empfand ich nach 47 Tagen als ziemlich geniale Planung – inklusive der Ruhetage und des Besuchs unseres Enkels Milan.
Dann die Ernüchterung. Ich telefoniere mit Susanne und sage: „Mist, ist das schon dunkel, ich brauche einen Schlafplatz“. Und sie antwortet: „Es ist doch noch hell!“. Schlagartig wird mir klar, dass ich den Turnaround von nordischem Mittsommer zu nordischer Dunkelheit falsch eingeschätzt habe. Der Unterschied des Sonnenuntergangs liegt schon hier und heute in Vaasa bei 20 Minuten. Am anvisierten Datum, dem 20. September ist es am Nordkapp um 18.07 Uhr dunkel. Das schränkt meine Fahrzeit für ? Kilometer am Tag erheblich ein.
Dann die nächste Erkenntnis am 1. September: Hier im Norden werden am 31. August die Bürgersteige hochgeklappt: Campsites – closed. Cafés – closed. Meine Infrastruktur schmilzt zusammen. Wildzelten geht, aber Verpflegung muss ich schon nach ca 3 Tagen auffüllen. Dazu wird es nun kalt und regnerisch, der Sommer verabschiedet sich. Er hat uns lange mit gutem Wetter verwöhnt. Schon in den kommenden Tagen wird es hier in Lappland Frost geben.
Die Risiken für die 1.600 Nordkapp Kilometer sind also gestiegen. Meine Gastfamilie in Kristinestad sagte lachend: „Natürlich sind die Straßen leer, es ist ja auch keiner mehr unterwegs außer Dir!“.
Wildgänse weisen mir den Weg
Das betrachtend muss ich eine Entscheidung treffen: Nordkapp ja oder nein. Während ich auf der Fahrt nach Vaasa darüber nachdenke, was meine Entscheidung beeinflussen wird, kommt mir rufend eine Formation Wildgänse entgegen. Sie fliegen Richtung Süden, während ich noch nach Norden radel. Ich glaube meine Entscheidung fällt genau in diesem Augenblick. Die Tiere sind schlau und wissen genau, wann es Zeit ist gen Süden zu ziehen. Ich muss mir einfach eingestehen: Ich bin einen Monat zu spät dran.
So schließe ich in Haparanda an der Spitze der Ostsee meinen Halbkreis und lasse es beim Projektnamen.
Der Nordkapp Traum
Der Nordkapp Traum bleibt ein Traum. Aber Träume braucht der Mensch, was wäre das Leben ohne sie. Vom Nordkapp aus starten noch viele Touren, durch Norwegen oder den ehemaligen eisernen Vorhang entlang, dem sogenannten ‚Iron Curtain Trail‘ folgend, dem Eurovelo 13. Für mein Leben gerne hätte ich Polarlichter gesehen, doch gerade jetzt ist die Aktivität niedrig. Ich möchte sie aber gerne gemeinsam mit jemandem bewundern, wie wunderschön, wenn es irgendwann mit meiner Frau Susanne zusammen ist.
Vielleicht ist diese Reise der Auftakt für weiteres Radreiseglück, wer weiß. Muss ich immer mit dem Kopf durch die Wand und die Dinge um jeden Preis durchziehen? Musste ich mal, muss ich aber nicht mehr. Wem bin ich verpflichtet? Nur mir selbst. Es bleiben 8.400 Kilometer, also nochmal 3.400 Kilometer, eine irrsinnige Strecke mit dem Rad. Sie ist jeden Tag physisch und psychisch fordernd.
Also, liebe Leser, bleibt meinem Projekt treu – ihr, eure Kommentare und Spenden seid meine Motivation und mein täglicher Antrieb!
8 Kommentare
Hallo Bernd wie ich sehe bist du relativ gut bis Luleå gekommen. Wir haben uns in Kukkolaforsen kennen gelernt. Es war richtig nicht weiter Richtung Norden zu fahren. Es gibt auf dem Weg zum Nordkap schon den ersten Schnee auf den Strassen. Ich werde deinen Weg weiter verfolgen und wünsche dir alles gute.
Juerge aus Tromsø
Lieber Jürgen,
top, dass Du mir Bescheid sagst! Ich erinnere mich gut und gerne an unser Gespräch in Kukkolaforsen! Was für eine grandiose Stelle für meinen nördlichsten Tourpunkt. Heute wäre ich rechnerisch am Kapp gewesen. Aber wie Du schon sagst, der Schnee wäre in die Quere gekommen, ich hatte es richtig vermutet.
Den Nordkapp Traum setze ich irgendwann ander um. Es ist gut Träume zu haben :).
Ich hoffe ihr habt oder hattet noch schöne Tage in Schweden.
Ansonsten die besten Grüße nach Norwegen, ein weiterer Traum, irgendwann!
Radreiseglückliche Grüße aus Sundsvall
Bernd
Der Narr zürnt, der Weise lächelt! Ich sehe Dich lächeln, mein Lieber.? Hast eine gute und weise Entscheidung getroffen. Genieße den Rückweg gen Süden.
Der heutige Tag war so schön, ich denke er wollte mir nochmal bestätigen, dass es die richtige Entscheidung war! Danke für Deine weisen Worte, lieber Karsten!
Lieber Bernd,
du hast dich richtig entschieden! Die Jahreszeit ist nicht die optimale für das Nordkap. Das Wetter wird ungemütlicher. Übrigens, alles wir damals im Juli (!) am Nordkap waren hat es auch geregnet und die Wolken hingen tief. Wir haben außer Wolken nichts gesehen und selbst beim Blick nach unten könnte man das Meer nur erahnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du es auch so antreffen könntest, ist zur jetzigen Jahreszeit sicher erhöht! Womöglich wärst du dann total enttäuscht. Also ich war es damals …?
Und Polarlichter sieht man dann schon gar nicht!
Alles richtig gemacht! So habt ihr ein gemeinsames Ziel und ein tolles gemeinsames Erlebnis vor euch !
Gute Weiterfahrt! Es geht Richtung Heimat!
(g,t,w!) Martina
Ich denke auch, liebe Martina, dass es der richtige Weg ist. Jetzt sitze ich nochmal am nördlichsten Punkt am Fluss, diesmal auf schwedischer Seite und schließe glücklich damit ab. Jetzt geht’s auf den Rückweg, und der Druck zeitig am Nordkapp zu sein fällt von mir ab, was mir ein entspanntes Gefühl gibt!
„Nicht Nordkapp“, it is a better option, I think. You have analyzed the causes well.
Yes, I am convinced it is a good and wise decision. I’ll keep that dream in my heart!