Ostsee-Umrundung | gesamt 1.802 km
Miķeļtornis (LVA) – Roja (LVA) | Tag 23 | heute 80 km
Wir sind nach den vergangenen ? er Tagen geschafft. Die Zeitzone hat uns eine Stunde geklaut, und die mauen mobilen Daten machen es nicht besser. So bin ich froh, morgens auf dem tollen Platz in Miķeļtornis einfach einen Cappuccino und Pfannkuchen zu bekommen, und auch Tristan baut es auf.

Ich habe Martins, dem Besitzer, gestern meine Geräte zum Aufladen gegeben und er war sehr interessiert an meinem Garmin GPS 66st. Als ich ihn eine Stunde später wieder treffe, erzählt er lachend, dass er es bestellt hat. Wir stellen am Morgen fest, dass die Karte für Lettland kein Routing zulässt. Ich drücke die Daumen, dass eine separate Karte es kann. So zeige ich ihm die gesamte Navigation und wir sprechen über die Tour.
Eine Schweizerin in Lettland
Martins macht mich mit Ursula bekannt, die mit ihm am Tisch sitzt. Ursula ist Schweizerin und lebt im Sommer jeweils ein halbes Jahr in Lettland in Miķeļtornis. Sie hat dort vor 23 Jahren von einem russischen Offizier für kleines Geld ein Haus erworben und saniert. Im Winterhalbjahr ist sie als psychologische Pädagogin in der Schweiz aktiv. Im Sommer arbeitet sie für die Uni in Ventspils und unterrichtet auf Deutsch Physik und andere Fächer.
Wir unterhalten uns lange über Lettland, die Letten und die Unterschiede zu Litauen. Ursula erklärt uns, dass die Litauer es zu Zeiten der Sowjetunion besser verstanden haben, Litauer zu positionieren. So wurde auch mehr Geld investiert. Währenddessen haben die Letten einfach die sowjetische Führung akzeptiert. Sie erzählt uns auch, dass der Waldstreifen, in dem wir uns befinden, von den Sowjets angepflanzt wurde. Damit sollte die militärische Überwachung vor Ort versteckt werden. Sie selbst musste vor 23 Jahren noch beim Militär anmelden, wenn sie schwimmen gehen wollte. Dann kam ein Soldat zur Aufsicht. Scherzhaft meint sie, die Angst sei gewesen, dass sie ja nach Schweden hätte schwimmen können.
Wir sind uns einig, dass Lettland viel Potenzial bietet, aber sich in der Mentalität vieler Menschen noch einiges ändern muss, um es auch umzusetzen. Es gibt große Probleme mit der Arbeitslosigkeit und Alkohol. Ein Großteil der Letten lebt in Riga und den anderen Städten, während wir auf dem Land nur vereinzelt meist leerstehende Häuser vorfinden. Die Strecken sind weit und es ist alles dicht bewaldet, was wir von unseren endlosen Fahrten entlang der Landstraße bestätigen können. Ursula erzählt, dass der letzte Lette, der sich vor den Sowjets versteckt hatte, erst vor 20 Jahren aus seinem Versteck im Wald gekommen ist. Er hatte vom Ende der Sowjetunion schlicht noch nichts mitbekommen. Uns wird noch einmal sehr bewusst, dass wir uns die ganze Zeit auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion befinden.
Nebenbei ist sie sehr interessiert an Tristans weiterer Ausbildung und erzählt uns, wie verschieden die Berufe ihrer sechs Kinder ausgefallen sind. Und worauf es ankommt – und worauf vielleicht auch nicht.
Unser sehr herzliches Gespräch mit Ursula dauert fast zwei Stunden. Wir freuen uns, dass Sie sich so viel Zeit für uns nimmt. Auch sie erkundigt sich intensiv nach unserem Projekt und unserer Tour. Spontan sagt sie: „Ich möchte euch die nächsten 50 Kilometer bis nach Kolka als Spende geben!“ Sie übergibt uns 50 €, die höchste Bargeld-Einzelspende, die wir bislang direkt zugesteckt bekommen. Danke, Ursula, auch im Namen der Sri Lanka Hilfe!

Erst um 13:15 Uhr sitzen wir auf den Rädern und verabschieden uns winkend von Ursula und dem schönen Campingplatz. Es folgen 45 zähe Kilometer bis zum Kap Kolka gegen Wind und Sonne, weiter entlang der endlosen Landstraße. Tristan und ich müssen ordentlich beißen, um durchzuhalten. Wann immer ich hochschaue, sehe ich von der Hitze flimmernde Straße gesäumt von Wald. Hinter jeder Kurve erneut kilometerlanger Fernblick entlang der schnurgeraden Straße. Ursula, wenn Du dies liest: jeder einzelne € hat uns auf dem Weg motiviert!

Das grandiose Kap Kolka
Das Kap Kolka ist das ausgeprägteste Kap an der Meeresküste Lettlands. Hier kann man den Zusammenstoß der Wellen der offenen Ostsee und der Rigaer Meeresbucht bestaunen. Und es hat sich gelohnt, denn dies ist auch ein „Magic Moment“ für uns!
Wir folgen Ursulas Empfehlung und fahren noch 35 Kilometer weiter bis Roja, froh, dass wir damit von Nordost nach Süden und damit aus dem Wind drehen. Vorab buchen wir ein günstiges Hotel mit Frühstück, für uns beide zusammen für 45 €. Das sollte uns etwas in unser Zeitgefüge zurückbringen. Wenn wir morgen bis Riga wollen, stehen 117 km auf dem Programm. Wir werden sehen, wie es läuft, denn es soll morgen Vormittag regnen.
1 Kommentar
Hallo ihr zwei, es freut mich, dass ihr auf diesem tollen Campingplatz übernachtet habt. Ich kann es nur bestätigen: Die Betreiber sind supernett und das Frühstück ist grandios.
Schade, dass es mit einem Treffen nicht geklappt hat (wir haben uns nur um 1-2 Tage verpasst, da wir jetzt auf dem Rückweg durchs Inland fahren. Euch weiterhin gute Fahrt,
Susanne