Ostsee-Umrundung | gesamt 1.300 km
Kaliningrad (RUS) – Светлогорск, Rauschen (RUS) | Tag 18 | heute 85 km
Gerade war der komplette Blogtag für heute fertig geschrieben, da gab es einen Fehler und ich konnte es nicht reproduzieren. Also nochmal neu, dabei sollte es heute früh in die Federn gehen. Es ist 23:44 Uhr, es wird etwas kürzer.
Königsberger Dom
Wir beschließen zunächst nochmal nach Kaliningrad hineinzufahren und den Königsberger Dom zu besichtigen. Unter anderem ist dort auch die Ruhestätte von Immanuel Kant. Wir treffen kurz vor der Kathedrale Julia aus Berlin, die mit der Bike-Punkerin Juli die Etappe Frombork-Kaliningrad gefahren ist. Sie passt auf unsere Räder auf, während wir Tickets kaufen. Danke, Julia!
Die Kathedrale ist von innen aber bei weitem nicht so schön wie die von Frombork. Dafür ist reichlich deutsche Geschichte präsent, wie auch die vielen deutschen Namen auf den Fotos zeigen.
Wir kommen nach einem Einkauf erst gegen 13 Uhr los, Mensch ist das schon spät! Kaliningrad ist wirklich keine Fahrradstadt, Tristan sagt, die niedrigen Bordsteine sind hier so hoch wie die hohen in Deutschland. Das stimmt. Man möchte immer von den stark befahrenen Straßen auf den Fußweg ausweichen – aber oft kommt man ohne Absteigen nicht mal hoch. Und sie sind extrem holprig.
Die nächste Hundeattacke
Der Weg führt uns westlich aus Kaliningrad hinaus und wir passieren die Ein- und Ausfahrten eines Autobahnkreuzes, der Höhepunkt an mehrspurigem Verkehr heute. Danach biegen wir auf eine wesentlich ruhigere Strecke ab. Diese zieht sich gesäumt von dicht bewachsenem Brachland bei leichtem Gegenwind bergauf und bergab dahin. Die Fahrt ist mühselig heute, doch plötzlich, kurz vor круглого (Kruglowo), als wir über eine Kuppe fahren, beschleunigen wir mühelos bis über 40 km/h. Denn wir kommen an einem Hof vorbei, auf dem zwei Hunde sofort zum Sprint ansetzen. Zunächst bleiben wir ruhig, denn das Tor ist geschlossen. Doch dann zischen sie mühelos unter dem Tor durch und rasen durchs brechende Unterholz. Nur ein entgegenkommender Lastwagen hält sie noch fern. Tristan ruft „Gib Gas!“, und wir strampeln was das Zeug hält. Da es leicht bergab geht, entfliehen wir so gerade noch ihrer Reichweite und entfernen uns aus ihrem Territorium. Puh, wieder gut gegangen.
Nach unserer Mittagspause an einem Lebensmittelladen direkt neben dem Wachhaus einer Kaserne der russischen Armee drehen wir nach Norden. Die umliegenden Gebiete wechseln zwischen Brachwiesen und Sumpf. Es ist schwülwarm und wir sind froh, dass die West- und Nordpassagen durch sind, als wir in приморье (Primorje) eine Rast einlegen nach knapp 60 Kilometern. Eine Gruppe junger Leute beäugt uns. Schon in Kaliningrad war es öfter der Fall, vielleicht liegt es an den Helmen, die hier sonst niemand trägt, und die treffsicher auf Deutsche schließen lassen. Hin und wieder schienen die Betrachter uns voreingenommen gegenüber. Aber es gibt auch die kleinen Lichtblicke, zum Beispiel im Lebensmittelladen, wo meine Brocken Russisch die Herzen einen Spalt weit öffnen können. Wie wird es uns bei unserem zweiten Russland Besuch in St. Petersburg bald gehen?
Historischer Badeort Светлогорск (Rauschen)
Wir passieren den Badeort Светлогорск (Rauschen), in dem sogar eine Seilbahn vom Bahnhof zum Strand führt. 1972 stürzte hier eine Antonov auf einen Kindergarten ab, 35 Menschen starben, davon 24 Kinder. Der Staat versuchte es zu vertuschen, sperrte die gesamte Infrastruktur und entfernte alle Spuren. Schon am nächsten Tag war dort nur noch eine Grünfläche. Doch zur Trauerfeier kamen Tausende, es ließ sich nicht vertuschen.
Beim Vorbeifahren winkt mir ein Mädchen mit einer Kindergruppe freundlich zu, und ich bin ganz überrascht! Ich grüße beim Vorbeifahren gerne die Menschen, das ist hier in Russland aber offensichtlich unüblich. Es gibt kaum einen, der zurück grüßt. An der Grenze von Polen zur Oblast war damit schlagartig Schluss. Ich grüße die Kindergruppe auf Russisch und es kommt „Hallo!“ zurück. OK, das erklärt es, es ist eine deutsche Feriengruppe!
Wir treffen auf Sophia aus Deutschland
Es ist schon 20 Uhr und wir finden nach einiger Suche ein kleines Hostel. Dort lernen wir Sophia aus Deutschland kennen, die ebenfalls Teile des EV10 fährt und morgen ungefähr unsere Strecke plant. Heute kam sie wie wir aus Kaliningrad, hat aber die Nordwest Schleife abgekürzt. So erreichte sie Rauschen schon nach 57 Kilometern gegen 15 Uhr und konnte noch den Strand genießen. Abends entdecken wir noch, wie sehr sich unsere Betrachtungsweisen zu CO2, Plastikmüll & Co decken. Sie trifft sich mit Freunden in Tallin und möchte zeigen, dass man auch CO2-neutral hinkommt. Selbst den FlixBus hat sie mit Klimaausgleich gebucht. Sehr gut, Sophia, das machen wir auch so, wenn wir unser Enkelkind besuchen – geplant und versprochen. Mach weiter so!
2 Kommentare
Danke für den Beitrag! Toll zu lesen! Und wieder was dazugelernt („Flixbus Klimaneutral“).
Hallo ihr zwei,
komme gerade vom Picknick mit Juli aus dem Kaliningrader dompark. Ihr rad ist wieder ganz.
Ich Folge euch morgen nach svetlogorsk. Das mit den Hunden macht mir etwas Muffe. Na ja meinen Pfeffer werd ich bereit halten. Genießt das Meer.
Und immer einen Finger Luft unter der Felge…julia